6  Was bietet FLL?

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Abbildung 6.1: FIRST®  LEGO®  League. [28]

 6.1  Was ist FLL und was beinhaltet die Teilnahme an ihr?
  6.1.1  Was ist FLL?
  6.1.2  Was bezweckt FLL?
  6.1.3  Wer steckt hinter FLL?
 6.2  FLL – Best-Practice: aus Sicht von Lehrern und Coaches
  6.2.1  Vorstellung der interviewten FLL Experten
  6.2.2  Ihr FLL Beginn
  6.2.3  FLL und Regelunterricht
  6.2.4  Gender Diversity
  6.2.5  Teambildung
  6.2.6  Teamgröße
  6.2.7  Exkurs zur empfohlenen Teamgröße
  6.2.8  Rollen im Team
  6.2.9  Fehlerkultur pädagogisch erwünscht
  6.2.10  Exkurs: FLL und die Mathetik
  6.2.11  Perspektiven für herausgewachsene Altersgruppen
  6.2.12  Schulische Rahmenbedingungen für FLL in den DACH-Ländern
  6.2.13  Ihre Kritik an FLL und ihre Visionen
 6.3  FLL – Best-Practice: aus Sicht von jugendlichen Teilnehmern
  6.3.1  Vorstellung der interviewten FLL Aktiven
  6.3.2  Ihr FLL Beginn
  6.3.3  Rollen im Team
  6.3.4  Gender Diversity
  6.3.5  Teambildung
  6.3.6  FLL AG verglichen mit MINT-Regelunterricht
  6.3.7  Wie erlebten Sie Ihre Zeit bei FLL?
  6.3.8  Ihre Kritik an FLL und ihre Visionen
  6.3.9  Vorher FLL Teilnehmerin – jetzt Robotik-Coach

6.1  Was ist FLL und was beinhaltet die Teilnahme an ihr?

Sich diesen weniger diskursiven, eher informellen Fragen zu nähern, kann auf verschiedenen Wegen erfolgen:

Beide Wege wurden für die Wissensfragen dieses Roberta-Bandes gewählt.

Was macht den besonderen Reiz an FIRST® LEGO® League für ihre Zielgruppe, heranwachsende Menschen von 10 bis 16 Jahren, aus? Worin liegt das bemerkenswerte Engagement der vielen Mathematik-, Informatik-, Bio- oder Physiklehrer und anderer FLL Coaches begründet, die ihre teilnehmenden Schülerinnen und Schülern mit schier unendlicher Geduld auf der Reise mit FIRST® LEGO® League begleiten?

Diese Fragen können nur die Menschen, die mittendrin sind, beantworten: weil nur sie die Emotionalität spüren und ausdrücken können, ohne die ihre so viele Stunden kostenden und so viel Geduld fordernden, am Ende doch so belohnenden Anstrengungen nicht denkbar wären. Den Lesern dieses Roberta-Bandes die dezidierten Antworten auf diese eher subjektiven Fragen möglichst dicht und authentisch zu vermitteln, braucht qualitative Interviews, wie sie mit solchen wahrhaft intrinsisch motivierten FLL Aktiven und Dank ihrer zusätzlich investierten Zeit und herzlichen Offenheit geführt werden durften. Deren Eindrücke, Erinnerungen und Einsichten erhalten ihre besondere Überzeugungskraft, wenn sie ergänzt werden von ErziehungswissenschaftlerInnen, MedienpädagogInnen und NeurowissenschaftlerInnen, die mit ihrer Expertise unterstreichen, dass in unseren Kindern und Nachwuchskräften auf ihrem Lernweg durch die MINT-Disziplinen – aber nicht nur dort – vor allem eins geweckt werden muss: Begeisterung! Dieser methodische Weg wurde für die pädagogischen Aspekte1 dieses MINT-Förderangebotes gewählt, und durchzieht alle drei Kapitel dieses Buches.

Zunächst zu den Basisinformationen rund um den Wettbewerb, dessen Regelwerk, den Zweck von FIRST® LEGO® League, ihre Geschichte, ihre Gründer und deren Motive:

6.1.1  Was ist FLL?

FIRST® LEGO® League ist Teil eines globalen Bildungsprogramms zur Nachwuchsförderung im Bereich Wissenschaft und Technologie. FLL wurde initiiert von der amerikanischen Non-Profit-Organisation FIRST®  und dem Spielwaren-Hersteller LEGO®. In Zentraleuropa wird der Wettbewerb für derzeit 7 Länder – Deutschland, Österreich, Schweiz, Ungarn, Tschechische Republik, Slowakei und Polen – unter der Schirmherrschaft des gemeinnützigen Vereins HANDS on TECHNOLOGY e.V. (HoT) durchgeführt. HoT e.V. mit Sitz in Leipzig unterstützt dabei jeweils Partner vor Ort, die einen FIRST®  LEGO®  League Regionalwettbewerb in eigener Regie ausrichten. Solche Regionalpartner sind Schulen, Hochschulen, Unternehmen und Vereine. 57 verschiedene Regionen in Zentraleuropa waren im vergangenen Wettbewerbszeitraum, von Herbst 2013 bis Januar 2014, unter dem gemeinsamen Jahresthema »Nature’s Fury« (Naturgewalten), beteiligt.

An FIRST® LEGO® League nehmen Teams teil, die aus drei bis zehn Kindern oder Jugendlichen sowie einem erwachsenen Coach bestehen. Jedes Team konstruiert und programmiert acht Wochen lang einen Roboter auf der Basis von LEGO® MINDSTORMS® und bereitet eine eigene Forschungspräsentation vor. Zunächst treten die Teams in ihren jeweiligen Regionalwettbewerben zum Wettkampf an. Die Gewinner-Teams aus den Regionalwettbewerben qualifizieren sich für die nächsten Runden bis hin zum Höhepunkt der Saison, dem zentraleuropäischen FLL Finale.

6.1.2  Was bezweckt FLL?

FLL ist ein Förderprogramm mit dem Zweck, Kinder und Jugendliche, Schülerinnen und Schüler (von 10 bis 16 Jahren in Zentraleuropa und von 9 bis 14 Jahren in USA, Kanada, Mexiko) in einer sportlichen Atmosphäre:

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Abbildung 6.2: Verteilung der FLL-Wettbewerbsstandorte in Deutschland. [34]

Dazu dient der Roboter-Wettbewerb FLL mit seinem Spaß-Charakter, bei dem die Teams mit Hilfe eines Roboters eine knifflige »Mission« zu erfüllen haben. Jedes Wettbewerbsjahr lockt ein jeweils neues, global geltendes FLL Thema mittlerweile rund eine viertel Million Kinder und Jugendliche, innerhalb ihrer Teams zu diesem Jahresthema zu forschen und zu vorgegebenen Parcours-Aufgaben aus dem Kontext dieses Jahres-Themas einen vollautomatischen Roboter zu entwerfen, zu konstruieren, zu programmieren und zu testen, um die »Mission« auf einem einheitlich vorgeschriebenen Spielfeld zu meistern. Die FLL Teams erfahren bei ihrem eigenen Robotik-Projekt mit Bezug zum Jahresthema alle Stufen einer echten Produktentwicklung. Das beinhaltet den Start mit einem Problem, verbunden mit knappen Ressourcen bei sehr knapper Zeit.

Die FLL Teams wissen nur wann, aber nicht wie ihre Konkurrenten in den Wettbewerb starten. HANDS on TECHNOLOGY e.V. vergleicht FLL deshalb auch mit dem Mikroskosmos einer realen Firma.2

Die Leistungspakete im Wettbewerb umfassen:

Alle geforderten und bewerteten Leistungen folgen dem gemeinsamen Thema. Dieses jährlich wechselnde, von der FLL weltweit vorgegebene Jahresthema orientiert sich an aktuellen Themen aus Wissenschaft und Technologie, wie etwa Energiekrise, Klimawandel, Lebensmittelsicherheit, Naturkatastrophen (201314) oder das Lernen im Klassenzimmer der Zukunft (201415). Jeder Jahreswettbewerb umfasst mehrere Aufgabenbereiche: Der Roboter-Wettbewerb besteht aus den Disziplinen:

Es geht darum, einen Roboter aus LEGO® zu bauen, zu programmieren und auf einem vorgegebenen Parcours mehrere, für alle Teams einheitlich gestellte Aufgaben autonom bewältigen zu lassen. Der Roboter sollte hierzu möglichst robust gebaut, effizient programmiert, aber auch kreativ gestaltet werden (Roboterdesign-Kriterien!). Es sind keine vorherigen Kenntnisse in Elektronik notwendig. Das erlaubte Material ist für jedes Team das Gleiche: alle Teile des Roboters stammen aus LEGO®  MINDSTORMS® Robotik-Baukästen, zur Zeit sind die Serien RCX, NXT und EV3 zugelassen. Die auszuführenden Parcours-Aufgaben des Roboters werden auf der ganzen Welt zum selben Datum bekannt gegeben. Am Tag des Wettbewerbes wird diese Leistung im Robot-Game vorgetragen und nach einem global geltenden Bewertungsschema mit Punkten bewertet.

Die Forschungsarbeit: Dieser Aufgabenbereich umfasst wiederum mehrere Teilleistungen, alle müssen dem vorgegebenen Jahresthema entsprechen:

Am Tag des Wettbewerbes wird die Forschungsarbeit einer Jury vorgetragen und von dieser bewertet.

Teamwork: Hauptvoraussetzung für die beiden Aufgabenbereiche – Roboter-Wettbewerb und Forschungsarbeit – soll das gemeinsame Arbeiten der Teammitglieder sein. Teamwork ist eine Säule im Bewertungskanon der Jury. Teamwork soll sich ausdrücken durch die Begeisterung, den Sportsgeist und den Respekt für die eigenen Teammitglieder, sowie aus dem Team heraus durch aktives Helfen und Unterstützen anderer FLL Teams. Erfolgreiche Teams bzw. ihre Teammitglieder beweisen darüber hinaus Vertrauen, Leistungsbereitschaft und die Fähigkeit zur Problemlösung.

Beispiel: der Jahreswettbewerb Nature’s Fury  Von März 2013 bis Januar 2014 hieß das Wettkampfthema der FIRST®  LEGO®  League »Nature’s Fury«. Die Aufgabe für die teilnehmenden FLL Teams lautete: »Wie können FIRST®  LEGO®  League Teams helfen, Naturkatastrophen zu bewältigen? Im FLL Wettbewerb 2013 Nature’s Fury  erforschen die Teams furchterregende Stürme, Erdbeben, Wellen und andere sogenannte Naturkatastrophen. Die Teams erforschen, was getan werden kann, wenn gewaltige Naturereignisse auf Orte treffen, an denen Menschen leben, arbeiten und spielen. Haltet euch fest bei FLL 2013 Nature’s Fury3

Weitere Wettbewerbs-Informationen: Alle weiteren aktuellen und nützlichen Informationen rund um die FIRST® LEGO® League pflegt der Schirmherr der Veranstaltungen in Zentraleuropa, der gemeinnützige Verein HANDS on TECHNOLOGY e.V. 4, auf seinen eigenen Webseiten unter:

Von hier wird zum aktuellen Jahresthema, den FIRST® LEGO® League Regeln, den aktuell gestellten Aufgaben im Robot-Game sowie zum Spielfeldaufbau & Platzierung und zu wesentlichen Fragen & Antworten auf die deutschsprachigen FLL Webseiten verwiesen:

6.1.3  Wer steckt hinter FLL?

Hinter dem Kürzel FLL verbergen sich genau genommen:

Veranstalter

Die Veranstalter setzen sich aus der FIRST® Initiative und der Firma LEGO® zusammen.

FIRST®  ist ein Kürzel für »For Interest and Recognition of Science and Technology«. Die Stiftung FIRST® des US-Erfinders und erfolgreichen Unternehmers Dean Kamen hat sich zum Ziel gesetzt, Schülerinnen und Schüler nicht nur der US-amerikanischen High-Schools an naturwissenschaftliches Denken heranzuführen und für anwendungsbezogene Technologien zu begeistern:

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To transform our culture by creating a world where science and technology are celebrated and where young people dream of becoming science and technology leaders. (Dean Kamen, FIRST®-Gründer)5

Der Begriff LEGO®  ist ein Synonym für die beiden dem Dänischen entlehnten Worte »LEG GODT«, was so viel bedeutet wie »Spiel gut!«. Eine gute Übersicht über die Geschichte und Verbreitung sowie alles weitere Wissenswerte rund um den dänischen Spielzeughersteller und seine kleinen Steine enthält die englischsprachige, firmeneigene Webseite »LEGO Facts«:

Zum Anspruch der Firma LEGO® an sein eigenes Lern-Spiel-Angebot finden sich die folgenden, deutsch und englischsprachigen Webseiten:

Anspruch der Veranstalter Der Veranstalter appelliert an die jugendlichen Teilnehmerinnen und Teilnehmer:

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Löst zusammen mit einem Roboter Probleme der realen Welt und werdet die Forscher von Morgen!

Im Fokus jedes teilnehmenden Teams soll dabei das Teamwork als eigenständiger Wert ganz oben rangieren.

Die FLL Erfinder haben das solidarische Teamwork als eigenen Kernwert ihres freundschaftlichen Wettbewerbsprogramms herausgestellt, und kommunizieren ihre Kernwerte (»Core Values«) via Videobotschaft direkt an Ihre eigentliche Zielgruppe, die Kids. Mit folgenden Sätzen auf Ihrer Website richtet sich FLL auch direkt an LehrerInnen und sonstige MultiplikatorInnen der gesamten Community:

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The FLL Core Values are the cornerstones of the FLL program. They are among the fundamental elements that distinguish FLL from other programs of its kind. By embracing the Core Values, participants learn that friendly competition and mutual gain are not separate goals, and that helping one another is the foundation of teamwork. We are a team. We do the work to find solutions with guidance from our coaches and mentors. We know our coaches and mentors don’t have all the answers; we learn together. We honor the spirit of friendly competition. What we discover is more important than what we win. We share our experiences with others. We display Gracious Professionalism® and Coopertition® in everything we do. We have FUN! [16]

An die Zielgruppe der MINT-LehrerInnen und MultiplikatorInnen im deutschsprachigen Raum gerichtet, lautet die Zielbeschreibung von HANDS on TECHNOLOGY e.V.: »FLL fordert Kinder und Jugendliche heraus, sich die Denkweisen von Ingenieuren und Wissenschaftlern zu erschließen. Im FLL Wettbewerb …bauen, testen und programmieren Kinder und Jugendliche autonome Roboter mit LEGO® MINDSTORMS® , um vorgegebene Aufgaben im Robot-Game zu lösen. Zusätzlich untersuchen und lösen sie ein reales Problem beim Forschungsauftrag. Während des Wettbewerbs erlernen die Teams zusätzlich grundlegende soziale Kompetenzen.«6

Weltweites FLL Bewertungssystem

Bei einem FLL Wettbewerb werden die Teams in verschiedenen Bereichen bewertet – in Einzelkategorien und in der Gesamtwertung. Alle teilnehmenden Kinder und ihre Teams werden weltweit und unabhängig von dem Land, in dem sie zum Wettbewerb antreten, in den gleichen Bewertungskategorien nach weitgehend standardisierten Bewertungsbögen beurteilt. Das jeweils beste Team einer Einzelkategorie erhält am Ende des Wettbewerbstages bei der Preisverleihung einen FLL Pokal. Das Team, dass die Werte von FLL insgesamt am besten repräsentiert, wird FLL Champion und damit Gesamtsieger.

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Abbildung 6.3: Teambesprechung und Vorbereitung FLL Schiedsrichter. [35]
Auf den Seiten der FLL wird der Pokal »FLL Champion« folgendermaßen beschrieben: »Dieser Pokal wird für den Gesamterfolg der Mission und für die Umsetzung der Werte von FLL vergeben. Er bewertet, wie stark die Kinder und Jugendlichen andere Teilnehmer inspirieren und motivieren, ihnen Zugang zur spannenden Welt der Wissenschaft und Technologie vermitteln und dabei gleichzeitig Respekt, Engagement und beeindruckende Professionalität zeigen.…Denn es geht nicht nur darum, Roboter zu bauen oder an Wettbewerben teilzunehmen. Viel wichtiger ist es, im Team zusammenzuarbeiten und gemeinsam Lösungen zu finden.« 7 Sechs FLL Pokale (FLL Champion plus 5 Einzelkategorien) werden bei jedem FLL Wettbewerb vergeben, zusätzlich erhält jedes Teammitglied beim Regionalwettbewerb eine FLL Medaille als Anerkennung seiner Leistungen beim Wettbewerb und in der Vorbereitung. In der Vorbereitung konzentrieren sich die Teams auf zwei Hauptbereiche: den Roboter und die Forschung. Bei einem FLL Wettbewerb werden die Teams zusätzlich hinsichtlich ihres Teamworks und ihrer Interaktionen mit anderen Teams bewertet. In jeder einzelnen Kategorie bekommt das jeweils beste Team am Ende des Wettbewerbstages einen FLL Pokal überreicht. Die Einzelkategorien heißen:

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Die Bewertungskriterien sowie die Bewertungsbögen zu den einzelnen Teilkategorien sind im Internetauftritt von HoT abrufbar unter: http://www.first-lego-league.org/de/fll/bewertung.html\#3

Das beste Roboterdesign, das für diesen FLL Pokal ausgewählt wird, muss innovativ und robust sowie gut auf die Programmierung des Roboters abgestimmt sein. Folgende Kriterien zeichnen im engen Zusammenwirken einen guten Roboter und ein hervorragendes FLL Team aus:

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Abbildung 6.4: Die Roboterkonstruktionen können teilweise sehr komplex werden. [25]

Innovatives Design:
die Fähigkeit, ein kreatives Design oder eine innovative Strategie zu entwerfen, um die Mission auf die originellste Art zu meistern.
Robustes Design:
das Verständnis und die Anwendung korrekter mechanischer Prinzipien sowie der Bau des solidesten, zuverlässigsten und beharrlichsten Roboters.
Programmierung:
das Verständnis und die Anwendung von korrekten Programmierprinzipien sowie Kreativität und Effizienz bei der Programmierung.

Die Jury bewertet die Teams anhand des FLL Bewertungsbogens »Roboterdesign«, der passend zu jedem Jahresthema neu vorgegeben wird.

Das beste Robot-Game wird aus einer komplexen Wertung über mehrere Ausscheidungsrunden ermittelt. Zunächst messen sich die teilnehmenden Teams am Regionalwettbewerb in drei Robot-Game-Vorrunden. Jedes Team tritt zu jeder Vorrunde an. Bei jedem Match hat das Team die Chance, möglichst viele Punkte zu sammeln. Kein Match steht mit dem vorherigen in Zusammenhang – am Ende zählt nur das Match mit der höchsten Punktzahl. Das Team, welches die höchste Punktzahl erzielen kann, erhält automatisch 50 Wertungspunkte. Die Wertungspunkte der anderen Teams werden errechnet, indem ihre Punkte mit der höchsten erreichten Punktzahl ins Verhältnis gesetzt werden. Die errechneten Wertungspunkte gehen direkt in die Bewertung des FLL Champion ein. Die besten Teams ziehen ins Viertel- beziehungsweise Halbfinale ein. Im Viertel- und im Halbfinale gibt es jeweils nur eine Runde. Die dort erreichte Punktzahl wird gewertet. Anhand dieser Punktzahlen wird eine Rangliste erstellt. Die zwei besten Teams aus dem Halbfinale qualifizieren sich für das Finale. Im Finale des Robot-Game werden zwei Runden gefahren. Die Summe der erreichten Punkte aus beiden Runden entscheidet über den Gewinner des Robot-Game: das Team mit der höheren Summe gewinnt den Einzel-Pokal »Bestes Robot-Game«.

Die beste Forschung wird am Wettbewerbstag aus den Forschungspräsentationen aller Teams ermittelt. Jedes Team soll 5 Minuten lang seine Ergebnisse aus dem FLL Forschungsauftrag einer ausgewählten Jury präsentieren. Dabei gibt es unendlich viele Möglichkeiten zur Darbietung: es kann ein formaler Vortrag sein, ein Rollenspiel oder eine Parodie, um nur einige Möglichkeiten zu nennen. Die Jurymitglieder achten darauf, ob mehr als nur ein Mitglied des FLL Teams Forschungsarbeit geleistet hat. Sie bewerten darüber hinaus:

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Abbildung 6.5: ForscherInnen präsentieren Ihre Ergebnisse. [29]

das gemeinsame Problemverständnis
ob das FLL Team klar und deutlich alle Aspekte des Problems versteht und darlegt
die gemeinsame Folgeabschätzung
ob das FLL Team die Auswirkungen erkennt, sollte das Problem nicht gelöst werden
die Vorschläge zur Problemlösung
ob das FLL Team Lösungsvorschläge ausarbeitet, die neu sind bzw. bei denen ein bestehender Lösungsansatz weiterentwickelt wird
die Präsentationsweise
ob die kreative Präsentation die Aufmerksamkeit der Jurymitglieder erregt.

Der FLL Pokal für die Beste Forschung wird dem FLL Team verliehen, welches durch qualitativ hochwertige Forschung, innovative Lösungen und eine kreative Präsentation das tiefste Verständnis der verschiedenen Fachrichtungen und Aspekte zeigt, die mit dem FLL Forschungsauftrag verbunden sind. Die Jury bewertet die Teams anhand des FLL Bewertungsbogens »Forschung«.

Bestes Teamwork prämiert eine Hauptvoraussetzung für jedes Team, um bei FLL erfolgreich zu sein: das Teamwork. Dieser FLL Pokal wird dem FLL Team verliehen, welches die größte Begeisterung, den besten Sportsgeist, außergewöhnlichen Respekt für die eigenen Teammitglieder und die meiste Unterstützung und Hilfe für andere FLL Teams zeigt. Dieses FLL Team hat der Jury gegenüber folgende Eigenschaften bewiesen:

1.
Vertrauen, Leistungsbereitschaft und Begeisterung
2.
Fähigkeit zur Problemlösung
3.
Verständnis und Respekt für andere
4.
Teaminteraktion und Gruppendynamik

Die Jury bewertet die Teams anhand des FLL Bewertungsbogens »Teamwork«.

Sonderpreis der Jury, mit ihm können die Juroren bei FLL Wettbewerben spezielle Teams auszeichnen. Der Pokal kann an ein Team gehen, das:

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Abbildung 6.6: Goldmedaillen. [30]

besondere Ausdauer zeigt
und auch die kompliziertesten Situationen meistert, ohne aufzugeben. Dieses Team befreit sich aus verzwickten Situationen, indem es improvisiert, anpasst oder das Hindernis aus dem Weg räumt und am Ende dennoch eine außergewöhnliche Leistung liefert
als Newcomer-Team
sein Durchsetzungsvermögen gegenüber erfahrenen FLL Teams bewiesen hat und trotz aller Startschwierigkeiten gute Ergebnisse im Wettbewerb erreicht. Teams, die zum ersten Mal an FLL teilnehmen, sind größeren Herausforderungen ausgesetzt, als FLL Teams, die bereits Erfahrungen bei vergangenen Wettbewerben sammeln konnten.

Weitere Pokale im zentraleuropäischen FLL Finale, die nicht in den Vorrunden vergeben werden, stammen von großen Computer-, Software- oder Mechatronik-Herstellern. Besonderer Beliebtheit unter den programmier-affinen TeilnehmerInnen erfreut sich der Sonderpokal »FLL Live Challenge«. An dieser Zusatzkategorie nehmen alle Final Teams teil. Sie müssen hierfür in Echtzeit mit Hilfe ihres Roboters und dem Computerprogramm, also wie in der Kategorie Robot-Game, eine besondere Aufgabe lösen. Den Pokal für die »Best FLL Live Challenge« erhält das Team, welches seinen Roboter am Besten auf die kurz vorher verkündete Problemstellung hin, unter Live-Bedingungen, programmieren kann. Die Teams können sich hierfür nicht vorbereiten, sie dürfen lediglich ihre Roboter, Computer und Software, gemäß den Regeln für erlaubte Materialien im Robot-Game, verwenden 8.

FLL Geschichte

Gegründet von FIRST® und Lego® : Die Idee einer FLL wurde entwickelt durch die US-Stiftung FIRST®  sowie durch LEGO®  namentlich von Dean Kamen, dem FIRST®-Gründer sowie Kjeld Kirk Kristiansen, dem milliardenschweren Eigentümer und stellvertretenden Vorsitzenden der LEGO® Group. Die Vision des Enkels von LEGO-Gründer Ole Kirk Christiansen hinsichtlich der FLL Zielgruppe lautet:9

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FLL encourages children to design, construct, and program their own intelligent inventions. This allows them not only to understand technology, but to become masters of it.

Dean Kamen – der Initiator von FLL – beschreibt den Grundgedanken des Wettbewerbs, übersetzt ins Deutsche, wie folgt:

»In der Geschäftswelt steht man immer wieder vor den gleichen Herausforderungen: es gilt, ein Problem unter Zeitdruck zu lösen und die begrenzten Ressourcen effizient einzusetzen. Ohne zu wissen, wie die Konkurrenz vorgeht, müssen funktionierende Lösungen entwickelt werden. Forschen, entwickeln, designen, testen, präsentieren – Stationen aus dem realen Leben, so auch im Mikrokosmos FIRST® LEGO® League.«10

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In every business I have ever seen, you start out with a problem at stake, not enough time, not enough resources. You don’t know what the competition is doing and you have to invent, design, develop, prototype, rebuild and deliver a working solution. The process is, in every way, a microcosm of a real business.

Dean Kamen, geboren am 5. April 1951 in New York, ist ein weltweit geachteter technischer Erfinder: seine berühmteste Entwicklungsleistung ist der einachsige City-Flitzer »Segway«, den er 2002 als so genannten Segway Personal Transporter für den individuellen Kurzstreckenverkehr vor allem in amerikanischen Großstädten erfand. Auf medizinischem Gebiet erfand Dean Kamen ein mobiles Dialyse-System. Neben vielen anderen höchsten Auszeichnungen für seinen Erfindergeist wurde er 2005 in die amerikanische National Inventors Hall of Fame aufgenommen.

Zur Stiftung FIRST®: 1989 gründete Kamen in den USA die Robotik-Organisation »For Inspiration and Recognition of Science and Technology« (FIRST). Bereits 1992 veranstaltete FIRST seinen ersten Robotik-Wettbewerb, in dem 28 Teams der New Hampshire High School Roboter bauen und mit diesen eine von FIRST gestellte Aufgabe lösen sollten. 22 Jahre später, für den Jahreswettbewerb 2014, rechnet FIRST® mit 230.000 technikbegeisterten, jugendlichen TeilnehmerInnen in aller Welt. Gründer Dean Kamen gilt bis heute als die treibende Kraft von FIRST®.11

Pilotwettbewerbe und Wettbewerbs-Entwicklung: Der erste FLL Wettbewerb fand in den USA 1998 statt, in Deutschland 2001. 2009 nahmen weltweit 14.725 Teams aus 56 Ländern an FLL teil. In Europa trafen sich im selben Jahr nur 668 Teams, seinerzeit auf 42 regionalen Vorausscheidungswettbewerben. In nur 4 Jahren, von 2009 bis 2013, verzeichnete die weltweite FLL Initiative einen Zuwachs von knapp 50% auf 23.000 Teams, aus nunmehr 70 Ländern. Für Zentraleuropa zählt HANDS on TECHNOLOGY e.V. im Vergleichszeitraum eine Steigerung von rund 20% (von 668 Teams 2009 auf 811 teilnehmende Teams in 2013) an mittlerweile 57 regionalen Ausscheidungswettbewerben. Deren Sieger treten darüber hinaus in weiteren nationalen Semi-Finals bzw. in der darauf folgenden Runde im zentraleuropäischen FLL Finale gegeneinander an. Der Höhepunkt ist jedes Jahr das Weltfinale, das überwiegend in den USA, aber auch schon in Japan stattfand.

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Abbildung 6.7: Die Entwicklung der TeilnehmerInnenzahlen von 2001 bis 2013.[34]

6.2  FLL – Best-Practice: aus Sicht von Lehrern und Coaches

In Deutschland, Österreich und der Schweiz.

In den folgenden Abschnitten werden die qualitativen Interviews ausgewertet, die für dieses Buch mit erfahrenen Lehrern und Coaches aus der deutschsprachigen Welt von FIRST® LEGO® League geführt wurden. Alle interviewten Lehrer und Coaches sind aktuell zum Zeitpunkt der Herausgabe dieses Roberta-Bandes in und mit FLL aktiv. Sei es als Organisatoren und Juroren, als Coaches ihrer Schülerinnen und Schüler oder in Lernlaboren außerhalb des Lernortes Schule. Der eine oder andere von ihnen ist gleichzeitig in mehreren dieser Rollen unterwegs. Sie alle haben eines gemeinsam: die Freude an einem Lernangebot jenseits ihres Regelunterrichtes, dass Kinder und Jugendliche sich selbstwirksam erleben lässt und MINT-Inhalte begeisternd vermitteln hilft. Sie erleben sich als Lernbegleiter, die es ihren Schülerinnen und Schülern ermöglichen, ihre Potenziale zu entfalten, seien es MINT-fachliche Potenziale oder seien es ihre Soft Skills. Potenziale, die im Regelunterricht oft untergehen oder die sie als Lehrer allein im Schulunterricht gar nicht erst entdecken würden. Zunächst werden die interviewten Pädagogen und FLL Coaches vorgestellt. Danach werden ihre Erfahrungen und Antworten thematisch strukturiert und wortgetreu wiedergegeben. Manche der Themen, wenn sie aus pädagogischer Sicht besonders bedeutsam sind, werden durch einen Exkurs ergänzt, der zusätzliche wissenschaftliche Erkenntnisse und Zitate beinhaltet, die über die Äußerungen der befragten FLL Praktiker hinausreichen. Der Best-Practice-Teil dieses Roberta-Bandes beinhaltet:

6.2.1  Vorstellung der interviewten FLL Experten

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Mario Brauer – Deutschland. Lehrer für Informatik an der – Thomasschule zu Leipzig –, einem humanistischen Gymnasium mit musischem Schwerpunkt, der erfolgreich seit 11 Jahren FLL betreibt und deren LEGO® MINDSTORMS®-Roboter als »tolle Ergänzung« für Physik wie auch seinen eigenen Informatikunterricht bewertet.

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Dr. Winfried Schmitz – Deutschland. Lehrer für Mathematik und Physik am – CJD Christophorus Gymnasium/CJD Jugenddorf – in Königswinter. Er organisiert regionale Robotik-Wettbewerbe und coacht gemeinsam mit wenigen Fachkollegen mehrere Roboter-Arbeitsgemeinschaften an seiner Schule, die seit Jahren erfolgreich an FIRST® LEGO® League teilnehmen wie auch an diversen Wettbewerben der RoboCup-Community, von Soccer bis RoboDance.12

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Dr. Michael Sieb – Österreich. Ingenieur aus Tirol. Er entwickelt im Roboter-Labor seiner Firma TiRoLab Kursmaterialen sowie Lehrkonzepte für Bildungseinrichtungen und Firmen. Darüber hinaus bietet er Seminare für PädagogInnen und LehrlingsausbilderInnen an. Gleichzeitig betreut er die Vorkämpfe von FLL in seiner Region, in Tirol, wo er auch als erfahrener Juror mitwirkt.

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Christian Lonsky – Schweiz. Lehrer für Physik und Mathematik, seit 1992 an der Evangelischen Mittelschule Schiers in Graubünden. Er lehrt in einem Brückenkurs für das 9. Schuljahr auch Basics in Informatik – im Rahmen von Anwendungen in der Mathematik. Christian Lonsky hatte keinerlei Vorerfahrung mit Robotik, als er vor 6 Jahren erstmals Robotik im Rahmen eines »Freifach«-Unterrichts an seiner Schule anbot. 2014 schaffte es ein Schülerteam seiner Schule bis zu FLL Open European Championships in Pamplona/Spanien – eine Art Europameisterschaft, die jedoch offen ist für teilnehmende Teams aus aller Welt. Christian Lonsky ist Koordinator des FLL-Regionalwettbewerbs in Chur/Graubünden.

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Andreas Bellony – Österreich. Fachlehrer für Mathematik, Physik und Informatik an der – Neuen Mittelschule Telfs Dr. Aloys Weissenbach – in Telfs bei Innsbruck. Dort coacht er seit 2003 Teams an seiner Schule, mit denen er bereits erfolgreich an Europa- und Weltmeisterschaften teilnahm.

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Thomas Madeya – Deutschland Coacht die Kinder von SAP-Mitarbeitern im SAP-Firmenteam Nano Giants, aus dem inzwischen die Nano Giants Academy hervor ging, in der frühere Teammitglieder nach ihren Wettkampfjahren bei FLL heute ihre Erfahrungen anderen FLL Teams anbieten: wiederum als Coaches.

6.2.2  Ihr FLL Beginn

Wie begann es bei Ihnen mit den FLL Aktivitäten?

D (Mario Brauer): »Als ich vor mittlerweile zehn Jahren das erste Mal von der Frau Müller (HoT) angesprochen wurde, zur FLL, war ich erst mal etwas verblüfft gewesen. Sie kam da mit einem Roboter an, zeigte mir diesen und sagte: ’Damit kann man Schüler an die Robotik heranführen!’ – und da war ich erst mal etwas verblüfft gewesen. Ich hatte mich dann mit der Thematik beschäftigt, wir haben dann so einen Lego-Kasten gekauft, und haben dann angefangen, die Schüler dafür zu begeistern und ich muss feststellen, es ist dahingehend, wenn man das wirklich in Stufe 5 und 6 beginnt, sehr gut geeignet, weil die Schüler kennen sich mit LEGO aus! Sie haben mit den Steinen gebastelt und denken, sie sind da firm. Und jetzt kommt dort einfach ein neuer Aspekt dazu, den sie so bisher noch nicht gesehen haben, dass man damit auch wirklich kreativ mit Beteiligung anderer Unterrichtsfächer, insbesondere der Physik, eben dort auch was schaffen kann.«

D (Thomas Madeya): »Zur LEGO-Liga bin ich gekommen vor 8 Jahren, da gab’s schon Kollegen bei der SAP, die das gemacht haben, ich hab’ davon gehört, fand das spannend, mein Sohn war auch dafür, damals war er 10, Kollege aus dem Nachbarzimmer mit seiner Tochter, die war 11, dann haben wir uns noch weitere zusammen gesucht, dann sind wir gestartet in ‘nem Jahr, da hieß das so Nano Creativ, Nano Giants – die Riesenzwerge oder Winzig-Riesen, da kam der Name her, das haben wir sieben Jahre lang getrieben, sieben Jahre lang aktiv teilgenommen…als SAP-Team. Wenn ein SAP-Mitarbeiter sagt, ich möchte mich engagieren, dann wird er insofern von SAP gesponsort, dass er ein Robotik-Grund-Set und die Aufnahmegebühr für das laufende Jahr gesponsort kriegt von der Firma, der Rest ist meine Freizeit, also mehr Support hab ich da auch nicht, wenn man weiterkommt, dann geht’s um die Reisekosten, aber das trifft für die Meisten eh nicht zu.«

CH (Christian Lonsky): »In der ersten Zeit, also vor fünf, sechs Jahren, wollten wir so was wie ein Freifach installieren.… Ein Freifach, dafür gibt es einen Rahmen, das kann ein Schüler besuchen neben dem normalen Unterricht in seiner Freizeit, hat aber die ganzen Bedingungen mit Abwesenheitsregelungen und so, ist wie ein ordentlicher Unterricht, ergibt aber keine Note, nur ein ’besucht’.…  ich habe damals einige Kästen von den RCX, angeschafft, und da konnten sie im Prinzip sich selber weiterbilden und in die Software selber einarbeiten.… Also ohne großes Zutun von uns, die Jugendlichen haben sich da ziemlich selbst organisiert, natürlich mit einem langen Lernprozess.… Aber es ging irgendwann los, als so erste da waren, die haben dann so mitgemacht, mal probiert und haben dann die Jüngeren, die kamen, gleich wieder geschult. So ging das halt ’generationenübergreifend’ weiter!… Das Team von unserer Schule war ja in Pamplona, am OEC 13 als einziges Schweizer Team. Das ist so nach dreijähriger Entwicklung, entstanden und so ein Kennzeichen an unserer Schule, dass sich das ganze Team eigentlich selbst organisiert hat.«

Sie haben mit Roberta-Aktivitäten oder anderen Robotik-Angeboten begonnen – warum sind Sie nun mit FLL aktiv?

D (Winfried Schmitz): Roberta sind gute Konzepte, um den SchülerInnen Robotik nahe zu bringen, ihnen einen Einstieg zu vermitteln. Um die SchülerInnen langfristig – mindestens zwei Jahre – bei der Stange zu halten, setzen wir die Wettbewerbe ein. Nach etwa zwei Jahren haben die Teilnehmer für sich klar, ich bleibe bei dieser Art Hobby!

AUT (Andreas Bellony): »Für die Kinder der Angestellten an der Medizin Uni Innsbruck habe ich immer wieder Robotik Kurse angeboten. Darunter waren reine Mädchenkurse oder Wochenkurse in den Sommerferien. Jeden Vormittag wurden von neun bis dreizehn Uhr Roboter gebaut und programmiert und dann am Freitag den Eltern präsentiert.«

D (Winfried Schmitz): Der FLL Wettbewerb findet wirklich verlässlich jedes Jahr zum gleichen Zeitraum, mit der gleichen Struktur statt. Ich kann als Lehrer auf die nächsten Jahre planen! Dies sieht bei den vielen anderen Roboter-Wettbewerben anders aus. Inzwischen veranstaltet ja fast jede kleine Provinzhochschule ihre eigenen Roboter-Wettbewerbe, die ja ganz nett sind, aber nicht nachhaltig sind, da sie nicht jedes Jahr verlässlich stattfinden.

AUT (Andreas Bellony): »Unsere Schule hat schon bei vielen Roboterbewerben teilgenommen. Unter all den Bewerben, die in Österreich zum Angebot stehen, ist der FLL Wettbewerb in meinen Augen der umfangreichste, der die Schüler und Coaches am meisten fordert – in vielerlei Hinsicht – im Speziellen auf die Berufsreife. Besonders die Bühnenerfahrung zählt, sie stehen vor einem Publikum und präsentieren das selbst Erforschte. In der Schule gibt es das leider viel zu wenig.«

D (Winfried Schmitz): Es ist schön, dass der Zeitaufwand – September bis Dezember – überschaubar bleibt, danach kann ich die Aktivitäten wieder zurückfahren, oder auch ganz pausieren, oder auch, als Schüler, ohne Gesichtsverlust ganz aufhören.

6.2.3  FLL und Regelunterricht

Ist Ihre FLL Aktivität an Ihren MINT-Regelunterricht angelehnt?

D (Mario Brauer): »Bei uns ist die FLL …im Bereich des Nachmittags angesiedelt, das heißt im Bereich der Arbeitsgemeinschaften, und dort können sich die Schüler jedes Jahr zu Beginn des Schuljahres für diese Arbeitsgemeinschaft FLL anmelden. Das heißt, dort geschieht das Ganze auf freiwilliger Basis.«

D (Winfried Schmitz): Wir machen es nicht im regulären Unterricht, aus mehreren Gründen:

D (Thomas Madeya): »Ja und da hab ich letztens noch die Erfahrung gemacht, dass es zumindest mal in den europäischen Ländern sehr unterschiedlich ist, also in Deutschland ist es auch schon so, dass im Lehrplan drinsteht, was dran kommen muss und nicht nur das Ergebnis. In anderen Ländern scheint es so zu sein, dass im Lehrplan vom Kultusministerium verankert ist, was muss man am Ende können, aber der Weg dahin ist relativ frei.«

AUT (Andreas Bellony): »Bei uns in der Schule unterrichten wir das Programmieren und Bauen der Roboter. In Blöcken zu drei Stunden bekommen die Schüler eine Aufgabe und müssen die dann meist in Wettbewerbsform präsentieren. Die Vorbereitung auf die FLL findet in ihrer Freizeit statt.«

Profitiert der MINT-Regelunterricht von Ihren FLL Aktivitäten?

AUT (Andreas Bellony): »Die Erkenntnisse der Forschungspräsentationen verwende ich immer wieder im Physikunterricht. Nachdem uns das Thema Nano-Technologie als Forschungsthema beschäftigt hat, ist dieses Thema fixer Bestandteil in meinem Physikunterricht.«

D (Mario Brauer): »Es bleibt beschränkt auf die Teilnehmer. Leider! Das kann ich für die Informatik sagen, weil diese Schüler dort schon ja erste Programmiererfahrungen dann bekommen, in einem relativ jungen Alter, und eben auch die Strukturiertheit, die man für die Programmierung braucht, eben auch dort mitbekommen, auf den Weg bekommen und das auch in anderen Fächern nutzen können und vor dem Hintergrund muss ich sagen, ist die FLL sehr gut geeignet!«

AUT (Andreas Bellony): »Heuer war das Thema ’Nature’s Fury’ (Naturgewalten) am Programm. Meine Schüler wählten das Thema Schneelawinen aus und dann wie man mit einem Geruchssensor am Handy schnell einen Verschütteten orten kann. Ich war von ihren Ideen überwältigt und glaube sogar, dass diese Funktion in einigen Jahren in jedem Smartphone eingebaut ist.«

D (Mario Brauer): »Ich erlebe es immer wieder, wenn dann Schüler einen Roboter bauen und zum Beispiel etwas hochheben wollen, und plötzlich feststellen, der kippt ja um und ich frage: ja warum denn eigentlich?, dass sie dann anfangen nach Ursachen zu suchen, bis sie dann darauf kommen – »ja, ist doch ganz einfach, sind ja Hebelgesetze!« – das da plötzlich solche Dinge wirken, oder auch, das Schwerkraft eben auch eine gewisse Rolle spielt, das Zeit und Reibung noch eine Rolle spielen und so weiter, diese ganz fundamentalen Erkenntnisse, die man zwar im Physikunterricht mehr oder weniger versucht anschaulich zu vermitteln, aber die halt doch etwas trocken ‘rüberkommen, die mal hier ganz tollen Praxisbezug haben, das finde ich schon faszinierend!«

D (Winfried Schmitz): Auf jeden Fall: Die SchülerInnen lernen, dass man nur mit viel Arbeit und Ausdauer wirklich Erfolg haben kann, dass man genau arbeiten muss, sie lernen sich vor Publikum zu präsentieren! Direkte Inhalte übernehmen wir nicht in den Unterricht, aber die Schüler profitieren indirekt bei den Forschungspräsentationen – Themen wie Klima, Körper, Logistik – spielen in anderen Fächern eine Rolle. Hier bringen die Schüler dann einen Wissensvorsprung und Erfahrungsschatz mit in den Unterricht.

AUT (Michael Sieb): »…oft Kinder, die jetzt ihren Platz in der Klasse noch gar nicht richtig gefunden haben, die da auf einmal zeigen können, hey, sie haben Stärken oder Fähigkeiten, die sie hervorheben, und die sie da ausleben können und die sie zu etwas Besonderem machen und ihnen dann unter Umständen auch wieder einen Zugang zur Klassengruppe ermöglicht, der vorher nicht da war – da passieren so soziologisch ganz tolle Sachen bei so einem Wettbewerb.«

CH (Christian Lonsky): »Wenn Sie gewisse Kollegen von mir fragen, die würden sagen, die machen ja ihre Hausaufgaben nicht oder sind vom Unterricht abgelenkt. Wenn ich vom Schüler oder vom Jugendlichen ausgehe, denke ich doch, sie finden etwas, wo sie einfach ausgefüllt sind und zufrieden. Manche finden das ja im Sport, manche in der Musik oder im Musischen, das ist jetzt mal eine andere Ebene, und Leute, die vielleicht begabt sind, und immer so ein bisschen ADHS-mäßig drauf, die finden da plötzlich etwas, wo sie sich so ganz ‘reingeben können, außerhalb der Schule.«

AUT (Andreas Bellony): »Schüler, die neu in ein FLL Team aufgenommen werden, sollten gute Schulnoten haben. Die Doppelbelastung kann sich auf die Noten negativ auswirken und dies erklären wir auch den Eltern. Leider gibt es dann auch Eltern die gute Schüler aus dem FLL-Team nehmen und sagen, dass die Schule wichtiger ist. Aus meiner jahrelangen Erfahrung kann ich jedoch auch sagen, dass die Noten höchstens einen Grad schlechter geworden sind und dass sie nach den Wettbewerben wieder alles aufgeholt haben. Und der Gewinn an zusätzlicher Erfahrung in einem FLL Team kann durch die Schule nie gegeben werden.«

Wie hoch ist der zeitliche Mehraufwand für jedes Team in einer FLL Saison?

D (Winfried Schmitz): Benötigter Bedarf in den 12 Wochen cirka 40 bis 50 Stunden — in der ersten Hälfte jeweils 3 Stunden in der AG, in den Herbstferien cirka 12 Stunden, also zwei Ferientage, in der heißen Phase 6 bis 10 Stunden pro Woche – 2 AG-Nachmittage plus eventuell Samstags eine weitere Arbeitseinheit.

AUT (Andreas Bellony): »Jedes Team in unserer Schule wird ca. hundert Stunden in der Freizeit auf einen Wettbewerb hin gecoacht. Diese hundert Stunden finden in der Zeit von September bis zum Regionalwettbewerb im Dezember oder Jänner statt.«

CH (Christian Lonsky): »Wenn dann der Wettbewerb in der Nähe ist, dann intensiviert es sich halt zeitmäßig. Die letzten paar Male waren wir dann auch an den Samstagen da und manchmal auch am Sonntag.«

D (Thomas Madeya): »Die Kinder selber, wenn die einmal am Haken sind, die haben überhaupt kein Problem, Extra-Stunden in der Schule zu verbringen. Also ich glaube nicht, dass man das als Teil eines normalen Klassenverbands unterrichten kann, sondern man muss sich dann auch konzentrieren.«

Was ist der motivierendste Anreiz an FLL, um Ihre SchülerInnen für MINT und Robotik zu begeistern?

AUT (Andreas Bellony): »Für Buben ist der Roboter für sich Motivation, das eigene Verändern der Hardware und Software begeistert sie zusätzlich.«

D (Mario Brauer): »Der erste Faktor ist, es kommt aus ihrer Erfahrungswelt! Die Kinder sind mit Lego groß geworden, sie haben sich im Endeffekt noch nicht ganz davon abgenabelt, und können damit im Rahmen eines Schulprojektes, sprich in dieser Arbeitsgemeinschaft, weiter arbeiten. Sie müssen sich nicht unbedingt dahingehend outen, dass sie eigentlich gerne noch spielen wollen, sondern sie können das gut verpackt in dieser LEGO League weiter machen! Das merke ich immer wieder, nach dem Motto – Oh, LEGO! Hier können wir endlich was bauen, was nicht nur für mich zu Hause irgendwo in der Ecke dann steht, sondern wo ich auch mal in Wettbewerb mit anderen treten kann! Und das mit Dingen, die ich bereits kenne, wo ich eben schon jahrelang damit gearbeitet habe, wo eben jetzt bloß noch dieser neue Aspekt dieses Wettbewerbes mit der Programmierung dazu kommt! – das sehe ich eigentlich als Hauptgrund!«

AUT (Michael Sieb): »Das würde ich als die Hauptmotivatoren sehen, dass die Kinder die Möglichkeit haben, sich Erwachsenen mitzuteilen, zu zeigen, was sie können, ja!«

D (Winfried Schmitz): Die Aufgaben sind so gestellt, dass man nach kurzer Zeit erste Erfolge erzielen kann, d.h. es gibt immer mehrere einfache Aufgaben. Aber aufgrund der etwas schwierigeren Aufgaben wird es nie langweilig, sondern bleibt bis zum Schluss eine Herausforderung. Alles haben wir noch nie geschafft. Es gibt immer einen Teil, bei dem man gut abschneidet, in dem man bestätigt wird.

D (Thomas Madeya): »Am Anfang ist es halt so, man kommt da hin und hat gemeinsam was geschafft, aber wahrscheinlich sind die anderen Teams besser und dann gibt’s durchaus die Motivation, so nächstes Jahr will ich auch den Pokal. Und dann will ich da gewinnen und ich will in die nächste Runde, ich hab’ schon davon gehört, dieser Gamification-Teil, da gibt es Punkte, da gibt es Urkunden, da gibt’s Pokale, da gibt’s eine kleine Laudatio, das zieht ganz gut!«

D (Winfried Schmitz): Der Wettbewerb! Der Wettbewerbstag ist ein absolutes Highlight, es ist aufregend, es ist stressig, es ist anstrengend, es macht Spaß!

AUT (Andreas Bellony): »Wenn ein Team einen Erfolg hat, kann man sehr gut beobachten wie sie aufblühen und mit sehr viel mehr an Selbstvertrauen an zukünftige Projekte herangehen. Interviews oder Erklärungen vor anderen Schülern meistern sie dann ganz von alleine und es ist eine Freude sie dabei zu beobachten. «

AUT (Michael Sieb): »Selbstwirksamkeit lässt Flügel wachsen! Sie haben das Gefühl, selbst etwas auf die Beine gestellt zu haben.«

AUT (Andreas Bellony): »In den Monaten von September bis November wird nicht nur am Freitag am Nachmittag und am Samstag am Vormittag gearbeitet sondern für den Teamgeist übernachten wir auch ein- oder zweimal in der Schule. Das ist ein Highlight, das die Schüler sehr gerne mögen. Wir spielen gemeinsam im Turnsaal, schlafen auf Matten in der Bibliothek und essen gemeinsam.«

D (Winfried Schmitz): Die Final-Kämpfe sind für die Schüler erreichbar, und hier hat man häufig internationales Flair, es geht über mehrere Tage, ist zumeist mit einer kleineren oder größeren Reise verbunden.

AUT (Andreas Bellony): »Die großen Reisen zur Weltmeisterschaft (Amerika) oder zu den Europameisterschaften (z.B. Norwegen, Dänemark) sind für alle das Ziel. Die Anmeldezahlen sind seit unserer ersten Teilnahme an der Weltmeisterschaft 2003 gestiegen und wir müssen seither immer wieder Schüler abweisen.«

D (Thomas Madeya): »Dann geht’s aber tatsächlich weiter, wenn man mit dem Team so stabil ist, dass man weiß, man hat alles getan, man hat gemeinsam Spaß gehabt, Spaß, Spaß, Spaß – dann ist es auch nicht so schlimm, wenn am Wettkampf der Roboter auseinander fällt oder man sich in der Forschungspräsentation verhaspelt, das geht dann.«

Was macht den Reiz an FLL aus für Sie als Pädagogen, der Sie ja Lernziele verfolgen?

AUT (Andreas Bellony): »Die bringen eine Leistung von sich, die sie vielleicht ohne dem nicht bringen würden, also das ist irgendwo so eine Win-win-Situation!«

D (Winfried Schmitz): Wettbewerbssituation, klare Ziele durch die Aufgabenstellung, einfache und schwierige Aufgaben, die der Schüler sich für den Wettbewerb und seine Teilnahme selbst beziehungsweise im Team zusammenstellt:…man muss planmäßig vorgehen, man muss seine Fähigkeiten realistisch einschätzen, man muss mit begrenzten Ressourcen umgehen lernen - der Roboter ist nur bedingt genau, ich darf nur Lego-Teile einsetzen, ich habe nur 12 Wochen Zeit, das Projekt umzusetzen, es gibt im Wettbewerb nur 150 Sekunden, um möglichst viele Aufgaben zu lösen – die theoretisch beste Lösung muss in der Realität und Praxis nicht auch die beste sein, Ideen sind nur dann gut, wenn sie sich in der Praxis bewähren.

D (Thomas Madeya): »Und dazu gehört natürlich auch wieder, was in der FLL drin ist, zum Beispiel müssen die Kinder im Wettbewerb den Roboter einer Fach-Jury erklären – und in dem Augenblick, wo sie Ihnen erklären und die Jury, ‘ne gute Jury fragt: ’warum habt Ihr das nicht anders gemacht, warum sieht der so aus?’ – dann bin ich auf dem ’Warum’, da kommt raus ’wir haben’s getestet, wir haben das gemacht’ und dann wird’s noch Mal reflektiert und kommt noch Mal frisch raus und am Ende habe ich Vorgehens-Modelle in die Kinder eingebaut und nicht Faktenwissen! Natürlich wissen die, dass beim Fahren ein Getriebe fehlen kann, das ist Faktenwissen, aber dieses Vorgehen, Vorgehens-Modelle für’s spätere Leben, das sind, glaube ich, die nachhaltigen Dinge!«

AUT (Andreas Bellony): »Schüler lernen mich und ich lerne die Schüler in einem FLL-Team ganz anders kennen. Man lacht über Fehler und die Kommunikation läuft über eine andere Wellenlänge, nicht zu vergleichen mit dem Verhältnis im Unterricht.«

CH (Christian Lonsky): »Da bin ich mir bewusst, dass ich meine Schüler gar nicht kenne! Die leben ja wie so ein Doppelleben. Ich kenne sie aus meiner Sicht, wenn sie vor mir in der Klasse sitzen oder was tun, aber was sie eigentlich sonst für Qualitäten haben, weiß ich nicht. Und so das ein bisschen mitzuerleben, dass da Leute sind, die sich wirklich intrinsisch für was interessieren, ohne das gesagt wird: ’ja, dann bekommst Du eine gute Note, wenn Du das und das machst!’.«

AUT (Andreas Bellony): »Wir bekommen in unserer Schule nicht jede Stunde für die FLL bezahlt. Trotzdem gehe ich gerne zu den FLL Vorbereitungen außerhalb der Schulzeit. Die Eltern und Schüler wissen dies und schätzen diese Einstellung.«

AUT (Andreas Bellony): »Im Unterricht erkenne ich immer wieder, dass die FLL-Teammitglieder mit einem größeren Einsatz bei der Sache sind und meine Vorhaben mehr unterstützen.«

AUT (Andreas Bellony): »In unserer Schule haben wir 5 Lehrer, die sich als Coach mit der FLL beschäftigen. Dadurch haben wir immer wieder ein Team, das als bestes Team Österreichs bei einem internationalen Bewerb dabei ist. Dieser Strategie verdanken wir, dass die Energie für uns Coaches nicht ausgeht, auch wenn einer einmal für ein Jahr eine Pause macht.«

6.2.4  Gender Diversity

Wie hoch ist der Mädchenanteil in Ihren FLL Teams im Vergleich zum Anteil im MINT-Regelunterricht?

CH (Christian Lonsky): »Ja es hat bisher in den Teams in den letzten paar Jahren eigentlich immer nur einzelne Mädchen gegeben. In diesem Team war jetzt auch nur eines dabei, das mit in Pamplona war, das ist schwierig, das ist uns immer noch, ein großes Rätsel. Ich denke, in der Unterstufe, erste und zweite Klasse Gymnasium, da sind Mädchen noch dabei, die kommen meistens in kleinen Gruppen, und dann, sobald sie so in die dritte Klasse kommen, also neuntes Schuljahr, entwickeln sie plötzlich andere Interessen: ’Nein, ich mache doch lieber Musik oder ich mache doch lieber dieses und jenes.’«

D (Mario Brauer): »Ja leider, ich muss sagen, am Anfang war der Mädchenanteil noch ungefähr bei vierzig Prozent und mittlerweile liegen wir leider bei null Prozent! Das ist eine für mich sehr interessante Entwicklung, weil ich sie eigentlich so nicht unbedingt sehen würde, weil auch Mädchen dort doch durchaus auch mit LEGO und auch mit Programmierung nicht unbeleckt sind! Aber in der AG halt, bei mir und auch bei meinem Kollegen, eben der Anteil der Mädchen in den letzten Jahren kontinuierlich zurückgegangen ist, bis wir jetzt seit zwei Jahren bei null Prozent liegen.«

AUT (Andreas Bellony): »Ich möchte immer Mädchen in den FLL-Teams haben. Aufgrund der Tatsache, dass bei unserem Schwerpunkt BioTeC14 zwei Drittel Buben und nur ein Drittel Mädchen sind, habe ich heuer nur drei Mädchen und fünf Buben im Team.«

AUT (Michael Sieb): »…zum Beispiel in Technischen Schulen wie der HTL ist der Mädchenanteil ziemlich konstant um die 10 Prozent …, und ich glaube, in der FLL liegt er um 20 Prozent, also deutlich über’m Durchschnitt.«

Leistungsorientierung von Mädchen im Vergleich zu den Jungs?

AUT (Andreas Bellony): »Die Mädchen machen meist den Forschungsauftrag und das Tagebuch. Die Roboter sind eher die Sache der Buben. Einmal hatte ich zwei Mädchen bei den Robotern. Ihr Einsatz war jedoch nicht vergleichbar mit dem Ehrgeiz der Buben. Beim Forschungsauftrag habe ich die gegenteilige Erfahrung gemacht. Die Mädchen forschen viel genauer und ausdauernder als die Buben.«

AUT (Andreas Bellony): »Wir haben zwei baugleiche Roboter. Pro Roboter gibt es 2 Jungs, die ihn stellen und programmieren. Wenn das eine Team schneller und genauer stellt als das andere, dann werden die Langsameren ehrgeiziger und versuchen zu den Schnelleren aufzuschließen.«

D (Thomas Madeya): »Also die Mädels, die ich zum Schluss in meinem Team drin hatte, die waren in Physik den Jungs kein bisschen unterlegen. Und wenn’s dann um Mechanik geht und auch um Mathe, wo man halt, wenn man richtig gut sein will, Formel 1 fahren will, dann muss man sich halt auch mal Gedanken machen über Proportional-Korrekturen, Stellglieder und andere Dinge, und da haben die Mädchen schon gut mitgezogen«

AUT (Andreas Bellony): »Mit der Pubertät steigen die Mädchen oft aus den FLL-Teams aus. Mit 10 Jahren gibt es da noch keine Probleme. Mit 13 Jahren ist es immer wieder der Fall, dass ich die Mädchen motivieren und überreden muss.«15

D (Mario Brauer): »Also in Naturwissenschaften sind bei uns die Mädchen partiell durchaus besser als die Jungs, aber im Nachmittagsbereich halt weniger - bei uns ist der Nachmittagsbereich bei vielen Schülern sehr stark angefüllt mit Musikschule, und dort sind Mädchen weitaus aktiver tätig als Jungs.«

Mädchen und ihre Rollen bei FLL?

AUT (Michael Sieb): »Konstruieren und Programmieren wird auch von Mädchen übernommen – auf jeden Fall!«

D (Mario Brauer): »Ich kann nur aus der Vergangenheit berichten, die Mädchen hatten dann sehr oft versucht, Teile zu übernehmen, die weniger an der Programmierung hingen, sie waren eigentlich mehr damit beschäftigt, zum Beispiel ein Roboter-Grundgerüst zu bauen, das war meistens ihre Domäne, und sehr intensiv auch zum Beispiel bei Forschungsaufträgen, dass sie dort eben auch gestalterisch und auch kreativ in der Umsetzung tätig waren.«

D (Thomas Madeya): »Also das, was im Forschungsauftrag passiert, ist typischerweise - ist jetzt also typisch, fast schon Platitüde hier zu sagen – das, was Mädchen mehr interessiert! Wenn man es aus Sicht der FLL sieht, ist es natürlich auch der Köder, ‘rein zu kommen und dann auch zu sehen, wie die Jungs typischerweise – wieder sehr stereotyp – dann mit dem Roboter irgendwas machen.«

AUT (Andreas Bellony): »Die Jungs programmieren und bauen die Roboter, total klassisch und das bei uns schon seit 2003. Ich habe schon oft versucht dem entgegen zu steuern aber am Ende immer ohne Erfolg.«

AUT (Michael Sieb): »Es gibt schon, sag’ ich mal, diese Rollen, aber es gibt dann zwischen diesen Rollen doch auch sehr viel Informationsfluss.«

D (Thomas Madeya): »Ich glaube, der Einstieg ist tatsächlich, dass die Mädchen eher über den Forschungsauftrag ‘reingezogen werden und die Jungs eher durch so‘n Roboter, der da ‘rumfährt. Ich würde aber im Interesse der Sache durchaus auch gucken, dass ich es über Kreuz vernetze und dass ich schaue, dass die Mädchen sich tatsächlich auch im Roboter sich einbringen können und andersherum die Jungs auch fordern und fördern, dass sie auf der Forschungsseite klar kommen. Einfach um den Kindern mehr mitzugeben und aus der Stereotype ‘rauszukommen. Es ist natürlich einfacher zu sagen, die Jungs bauen, die Mädels forschen, das wird aber hinterher nicht als gute Teamleistung ‘rüberkommen, das ist dann auch keine Teamleistung, die sie gemeinsam liefern!«

AUT (Michael Sieb): »FLL ist wegen der vielen zu vergebenden Rollen besser geeignet, Mädchen und Jungen im Team zu verankern, als im Robo-Cup.«

6.2.5  Teambildung

Gendergemischte oder getrennte Teams? AUT (Andreas Bellony): »Es ist ja viel leichter, ein Team zu führen, wenn es gemischt ist. Ich bin schon mit reinen Mädchen- oder Buben-Klassen konfrontiert gewesen und da ist eine gemischte Klasse immer viel leichter zu führen.« D (Winfried Schmitz): Wir haben cirka 4 bis 6 SchülerInnen in einem Team, meistens nur Mädchen oder nur Jungen, seltener gemischte Teams. In gemischten Teams werden die Mädchen von den schnell beginnenden Jungen aus der Programmierung und dem Bauen heraus gedrängt. Daher gibt es bei uns kaum gemischte Teams bei den Anfängern. Dies kann bei erfahrenen Teams anders aussehen.

D (Thomas Madeya): »Wenn ich sage, ich habe ein Team fast nur aus Jungs und 2 Mädchen, dann ist es schwierig! Wenn ich es schaff’, eine Balance zu finden, die 50:50 ist, dann glaube ich und ich hab’s erlebt, vor allem bei den Älteren, den 14 – 15 jährigen, diese Diversity-Idee, wie wir das hier im Englischen in der Firma immer sagen, also wie heißt’s auf deutsch, die Mischung, die bringt es dann, also da sind ganz andere mentale Modelle im Kopf, und immer, wenn es darum geht, Lösungen zu finden, dann ist es wichtig, verschiedene mentale Modelle zu haben und die auch gelten zu lassen und sich gegenseitig zu befruchten.’ – Zwischenfrage: dann sogar erfolgreicher als ein-geschlechtliche Teams? – ’Da bin ich voll und ganz dabei!«

AUT (Andreas Bellony): »Es ist für mich ganz wichtig, dass Mädchen dabei sind, und ich kann mich jetzt gar nicht erinnern, dass ich ein reines Buben-Team gehabt hab, ja, zwei Mädchen immer, und da waren’s, wie gesagt, sogar vier Mädchen, 2012, was aber leider auch nicht sehr oft der Fall ist, ja, die Erfahrung ist, dass Mädchen mit dem Alter immer mehr für andere Sachen sich begeistern, nicht so sehr für Roboter.«

Gibt es mehrere FLL Teams an Ihrer Schule?

D (Winfried Schmitz): Ja, wir treten meistens mit 2 bis 4 Anfängerteams an, und einem oder zwei erfahrenen Teams.

AUT (Andreas Bellony): »Wir machen es immer so, dass sich aus einer Klasse ein Team bildet. Die höchste Anzahl in einem Jahr lag bei 7 Teams. Ein Team mit ehemaligen Schülern und 6 aus unserer Schule waren 2007 am Start. Dieses Jahr war sehr stressig für meine Kollegen und mich und so sind wir heute bei zwei bis drei Teams pro Jahr.«

D (Mario Brauer): »Wir haben im Allgemeinen bisher immer so zwei Teams gehabt, die Teamgröße lag so zwischen 6 und 10.«

Wie bilden Sie, wie bilden sich FLL Teams an Ihrer Schule?

CH (Christian Lonsky): »Die Bildung von Teams ist eigentlich nach interner Werbung ein bisschen spontan, mehr durch Mund-zu-Mund-Propaganda, wir stellen diese Teams nicht zusammen. Es heißt ja ’Freizeitgruppe’, es ist wirklich außerhalb der Schulzeit, völlig freiwillig!«

D (Mario Brauer): »Wir sind bei uns an der Thomas-Schule eigentlich ein humanistisches Gymnasium,…so dass die Naturwissenschaften nicht ganz so die Präferenz haben. Wir haben eben in dieser Beziehung nicht das Schlange stehen, sondern es kommt jeder, der gern gesehen ist. Das heißt also, die Schüler, die sich dann dafür entscheiden, die haben dann auch ein gewisses Interesse daran und das klappt dann ganz gut, als Auswahlkriterium als solches gibt’s bei uns in dem Sinne nicht.«

AUT (Andreas Bellony): »Wir nehmen nur Freiwillige und Schüler, deren Schulnoten passen. Sind die Noten schlecht, wird diese(r) SchülerIn nicht aufgenommen.«

D (Winfried Schmitz): Wir machen bei der FLL nur mit Anfängern in der Roboter AG und jüngeren Schülern mit, der Klassen 5 bis 7,…. Stellt sich nach der ersten Teilnahme heraus, dies sind gute Teams, die auch Lust auf die anderen Teile der FLL haben – Präsentation, Teamspiel – dürfen diese versuchen, in einem zweiten und dritten Jahr Wettbewerbe in der FLL zu gewinnen.

D (Mario Brauer): »Also die meiste, größte Anzahl ist meist im Bereich der Klassenstufe 6, das heißt also so 12 Jahre. Wenn sie einmal begonnen haben, dann findet man sie auch noch in den laufenden Schuljahren immer wieder mit in der AG. Das heißt also, so ab Klasse 9 ist dann eigentlich kaum noch jemand da! Das heißt also, die Jahrgangsstufen 6, 7 und 8 mit entsprechender Intensität, die sich dann immer weiter abflacht. …Bei uns an der Schule sind die Schüler eigentlich musisch sehr vorbelastet, das heißt, sie haben im Nachmittagsbereich viele Proben…und aus diesem Hintergrund, das entwickelt sich ja mit zunehmendem Alter stärker, ist dann auch eben der Schwund immer etwas größer – das ist aber ein Spezifikum an unserer Schule!«

6.2.6  Teamgröße

Was sind für Sie optimale Teamgrößen?

D (Winfried Schmitz): 4 bis 6 Mitglieder!

AUT (Andreas Bellony): »Mehr wie 8 ist nicht gut, weil, da gibt’s zu wenig Jobs für die Kinder. Und wenn es zu wenige sind, dann fehlt mir der Teamcharakter. Es gibt jetzt die neue Regelung der FLL, dass ab drei Leut’ man ein Team bilden kann, das find’ ich …für das Teammäßige nicht gut! Also für mich ist die optimale Größe sieben oder acht!«

CH (Christian Lonsky): »Ich denke, es war recht unterschiedlich, meistens sind es so 5 bis 8. Größere Teams hatten wir bisher nicht…6 bis 8 würde ich ideal finden.«

D (Thomas Madeya): »Wenn ich eine Zahl nennen soll an dieser Stelle, dann ist es 8! Und zwar ist es ein guter Kompromiss von ’man hat genügend Schultern, auf die man die Arbeit laden kann’, aber man kriegt auch noch gemanagt, sie alle unter Strom zu halten, wenn die wirklich alle 8 mal da sind! Dann habe ich natürlich auch einen Ausfallschutz, wenn jemand gerade nicht da ist, weil er ein Sport-Event hat oder krank ist oder sonst was, dass ich dann nicht von fünf auf zwei ‘runterfalle und nicht mehr weiterkomme.«

6.2.7  Exkurs zur empfohlenen Teamgröße

Eine theoretische und empirische Herleitung:

Unter dem Begriff »Kollektivgutproblem« sozialer Gruppen16 analysiert die Mikro-Soziologie effiziente versus ineffiziente Gruppengrößen hinsichtlich ihres Einflusses auf die Kooperation innerhalb der Gruppe. Die soziologische Austauschtheorie benennt Möglichkeiten zur Lösung eines auftretenden Kollektivgut-Problems in sozialen Gruppen gleichberechtigter Akteure, die also ohne formale Herrschaft und Kontrollmechanismen, hierarchisch »flach«, miteinander in Austauschbeziehung stehen. So, wie es auch in einem FLL Team die Regel ist.

Ein »Kollektivgutproblem« ist aus soziologischer Sicht dadurch geprägt, dass Kollektivgüter (zum Beispiel ein das Team befriedigendes Abschneiden bei FLL), wurden sie einmal erstellt, allen Mitgliedern des Kollektivs zu gleichen Teilen bzw. zur gleichen Nutzung mit gleichem Zugang zur Verfügung stehen. Die folgende Annahme ist dann naheliegend: wenn sich alle Mitglieder zur Erstellung des Kollektivgutes mit hohem Engagement einbringen, dann wird ihr Kollektivgut auch optimal hergestellt. (Hinweis: auch wenn jedes Teammitglieder nur halben Einsatz zeigt, wird das Kollektivgut entsprechend dem gleich verteilten Einsatz der Teammitglieder in dem Sinne »optimal« hergestellt, dass Lasten und Gewinn, dem investierten Aufwand aller entsprechend, gerecht verteilt beziehungsweise ausgezahlt werden). Ferner könnte angenommen werden, dass, wenn alle Kollektivmitglieder denselben Nutzen aus dem Kollektivgut ziehen, alle auch dasselbe Interesse an seiner optimalen Erstellung haben und jedes Teammitglied bereit ist, seinen Anteil an den Kosten (Kosten zur Erstellung des Kollektivgutes können sein die individuell investierte Zeit, Konzentration + Anstrengung) genau wie die anderen Teammitglieder auch, einzubringen.

Diese gerechte Gleichverteilung von Kosten und Nutzen gilt jedoch nur unter bestimmten Bedingungen: es wird zunächst davon ausgegangen, dass jedes Kollektivmitglied für sich betrachtet, individuell nutzenmaximierend orientiert ist. Besonders schlau im Sinne von individueller Nutzenmaximierung handelt das einzelne Mitglied, wenn es am Ende denselben Nutzen aus dem erstellten Kollektivgut zieht, aber im Idealfall keine individuellen Kosten zu dessen Erstellung tragen musste. Also im Klartext: jedes Mitglied, dass sich bei der Herstellung des Kollektivguts zurückhält, spart individuelle Kosten, maximiert aber seinen individuellen Gewinn, natürlich auf Kosten der Kollektivmitglieder, die das Kollektivgut erstellen. Trittbrettfahren, im Sinne von »ich schau, dass ich mich schön heraushalte bei der Erstellung dieses Kollektivgutes, wenn es aber mal bereit steht, dann profitiere ich genauso davon wie alle anderen«, ist hinsichtlich der am Ende erzielten Qualität des Kollektivgutes natürlich kontraproduktiv. Obwohl es konsequent ist im Sinne einer individuellen Maximierungsstrategie, schlägt es am Ende um in eine für alle schädliche Konsequenz, denn das Kollektivgut wird eben nur suboptimal oder gar nicht hergestellt, weil jeder Akteur schlau sein wollte und seiner individuellen Maximierungsstrategie folgte. Ein Kollektivgut entsteht unter diesen ungünstigen Voraussetzungen überhaupt nur dann, wenn es wenigstens ein Mitglied gibt, welches, anders als die anderen, einen solch hohen individuellen Gewinn aus dem Kollektivgut für sich erhofft, dass es die Kosten für dessen Erstellung auch alleine aufzubringen bereit ist. Hierin spiegelt sich ein Phänomen, dass auch als »Ausbeutung von unten nach oben« bezeichnet wird: denn die Trittbrettfahrer beuten die Alleinersteller des Kollektivgutes rücksichtslos aus! Wie nun lässt sich gemäß der soziologischen »Austauschtheorien« das Kollektivgutproblem lösen?

Iteriertes Spiel

Zunächst muss ein »iteriertes Spiel« gegeben sein, wie es die soziologische Spieltheorie beschreibt: gemeint ist damit eine fortgesetzte Austauschbeziehung der Kollektivmitglieder untereinander. In ihrer Vorbereitungszeit und auch in ihrem Klassenverband begegnen sich die FLL Teammitglieder wiederholt bis täglich, das iterierte Spiel ist gewährleistet. Damit ist eine wichtige Voraussetzung zur endogenen Lösung ihres »Kollektivgut-Problems« erfüllt. Endogen, also aus den Randbedingungen der Austauschbeziehungen der FLL Teammitglieder selbst heraus, lässt sich dem Kollektivgutproblem innewohnenden Widerspruch der Art »wir alle profitieren von einem optimalen Kollektivgut, dennoch wird es nicht oder nur unvollkommen hergestellt«, vorbeugen, indem die fortgesetzte Austauschbeziehung im iterierten Spiel dazu genutzt wird, dass abweichendes, ausbeuterisches Verhalten der »Trittbrettfahrer« durch die Ausgebeuteten sanktioniert wird. Eine solche Sanktion muss gar nicht ausgeübt werden: oft reicht ja schon die sichere Erwartung der Trittbrettfahrer, dass Ihr ausbeuterisches Verhalten durch eine »Wie Du mir, so ich Dir«-Strategie der ausgebeuteten Kollektivmitglieder sanktioniert werden wird, um ihren gleichen Anteil an der Erstellung des Kollektivgutes einzubringen. Diese sichere Erwartung, das ein Ausscheren aus der Kooperation sanktioniert werden wird, ist neben der Bedingung einer fortgesetzten Austausch-Situation (= iteriertes Spiel) aber noch von einer zweiten wesentlichen Randbedingung abhängig.…

Soziale Kontrolle im Kollektiv

Diese zweite Bedingung, um eine Lösung des Problems aus dem Kollektiv heraus zu erreichen, also ohne Herrschaft mit ihren bekannten Kontrollmechanismen (und ihrerseits ungünstigen Folgen) und ohne äußeren Druck und Einfluss (etwa des Lehrers), nennt sich »gegenseitige soziale Kontrolle im Kollektiv« – die wiederum nicht voraussetzungslos gegeben ist: Die Spieltheorie der Soziologie hat aus unzähligen analysierten Spielsituationen (geändert wurden jeweils die Randbedingungen wie Iteration, Gruppengröße, Sichtbarkeit des Verhaltens der einzelnen Spieler, zu erwartende Höhe des Gewinns beziehungsweise des Verlustes der jeweiligen Spieler) herausgearbeitet, dass Gruppen mit mehr als 7-9 Akteuren schon nicht mehr geeignet sind, ein Kollektivgut optimal, also im reinen Sinne »kollektiv«, herzustellen. Denn bei zahlenmäßig stärkeren Gruppen geht das Moment der sozialen Kontrolle verloren. Unter dieser Bedingung wiederum darf jeder Trittbrettfahrer weiterhin damit rechnen, nicht sanktioniert zu werden.

Je unsicherer seine Erwartung, dass sein Ausscheren aus der Kooperation den anderen Teammitgliedern auffällt, desto weniger muss der Trittbrettfahrer damit rechnen, das sein Trittbrettfahren von den anderen Teammitgliedern sanktioniert wird - etwa mit der Androhung seines Ausschlusses aus dem Kollektiv - und desto eher wird der Trittbrettfahrer versuchen, seine Kosten der Beteiligung zu sparen. Die Individuen in größeren Gruppen haben nicht mehr genügend Aufmerksamkeitspotential für das (Beteiligungs- versus Trittbrettfahrer-)Verhalten jedes einzelnen Teammitglieds. Und ohne diese Erkennbarkeit eines individuell zuschreibbaren Beitrags der Gruppenmitglieder verschwindet auch die Sanktionierbarkeit von Trittbrettfahrer-Verhalten. Dieses wird sich bei rational agierenden Akteuren tendenziell ausbreiten bis hin zum völligen Fehlen eines Kollektivgutes. Ein Prozess, der in der Soziologie empirisch gut belegt ist, den auch jeder von uns in seiner eigenen Umgebung tagtäglich beobachten kann (die Beispiele reichen vom Schwarzfahren im Öffentlichen Nahverkehr bis zur Verwahrlosung gemeinsamer Räume oder Aussenanlagen in Wohnhochhäusern mit vielen Mietsparteien).

Fazit zur optimalen Teamgröße:

Gruppengrößen erfolgreicher FLL Teams liegen erfahrungsgemäß – und wie beschrieben nicht zufällig – bei Teamgrößen von bis zu 8 Akteuren beziehungsweise Teammitgliedern. Umgekehrt: die ideale Gruppengröße des eigenen FLL Teams sollte sich nicht nur nach der Anzahl der vergebenen bzw. besetzbaren Rollen (KonstrukteurIn, ProgrammiererIn, ForscherInnen, PräsentatorInnen, eventuell noch SprecherIn etc. – siehe den folgenden Abschnitt) richten, sondern auch nach der Maximalstärke optimal funktionierender Kollektive!

Diese bestmögliche Lösungsvariante des Kollektivgut-Problems sozialer Gruppen wird durch die Erfahrung der befragten Lehrer und FLL Coaches bestätigt, wie etwa von Thomas Madeya vom SAP-Firmenteam Nano Giants: »also so 8 ist eine gute Balance an der Stelle, dass man noch damit arbeiten kann und gleichzeitig auch Arbeit verteilen kann.«

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Abbildung 6.8: Jedes Teammitglied bringt seine Kompetenz aktiv ein. [31]

6.2.8  Rollen im Team

Rollenverteilung

Welche Rollen sollte es geben?

AUT (Michael Sieb): »’Stratege und Teamsprecher’, der koordiniert, ’ProgrammiererIn’, ’KonstrukteurIn’, ’ForscherIn’, und auch ’Vorführer oder ’RennmechanikerInnen’. Präsentieren jedoch müssen sie alle,…«

D (Thomas Madeya): »Der Gesamtprojektleiter, der den Gesamtfortschritt im Überblick hat, da würde ich immer noch den Lehrer oder Coach sehen. Ich würde jetzt nicht sagen, dass einer von den Kindern, speziell im Alter von 14 oder 15, die haben soviel um den Kopf, da ist es besser zu sagen, Projektleitung macht der Chef. Das heißt nicht, dass er die Arbeit macht, aber dass er weiß, was alles getan werden muss, dass er auch einsammelt, was muss noch alles getan werden, und wer macht was. Der kümmert sich auch um Räume und solche anderen Admin-Sachen.«

Wie werden die Rollen zugeteilt?

AUT (Andreas Bellony): »Prinzipiell ergibt sich das von alleine, wer was genau machen will, also es ist nicht so, das ich jetzt sag, Du bist Programmierer, Du baust, sondern sie sollen sich freiwillig dazu melden.«

D (Mario Brauer): »Und dann empfehle ich immer den Schülern und sage, ’Ihr müsst Euch im Klaren sein, was könnt Ihr am besten, womit könnt Ihr Euch im Team am besten einbringen, das heißt, welche Rolle könnt Ihr am besten übernehmen?’ Und dann biete ich immer so ein paar Grundrollen an, da gibt’s welche, die müssen das Roboter-Grundgerüst bauen, da gibt’s welche, die müssen Roboter-Zusatzteile bauen, da gibt’s welche, die sollen den Roboter testen, und ich empfehle dort immer, auch wirklich unterschiedliche Personen zu nehmen, weil einfach der Hintergrund ist, wenn jemand anderes das macht, dann merkt man auch Fehler schneller und dann sind die mir im Nachhinein immer sehr dankbar.«

D (Winfried Schmitz): Im Prinzip müssen alle Mitglieder alle Aufgaben übernehmen können, da ja der Spezialist durchaus aufgrund von Widrigkeiten ausfallen kann.

AUT (Michael Sieb): »Jeder muss Ahnung haben von den Arbeiten der anderen, da von der Jury allen auch dahingehend auf den Zahl gefühlt wird,…versucht wird ein ganzheitlicher Ansatz – auf der Bühne stehen ja anschließend alle im Theaterstück auf der Bühne, jede Rolle performt.«

Im Folgenden werden die oben erwähnten Rollen im Einzelnen näher erläutert, wiederum aus Sicht der erfahrenen Praktiker:

Wie werden die Rollen gelebt im Team?

Konstruieren und Programmieren der Roboter

AUT (Andreas Bellony): »Pro Roboter haben wir immer mindestens zwei Leute, die sich d’rauf auskennen, die den bauen und programmieren.«

CH (Christian Lonsky): »Weil sie nur zu dritt waren, hat natürlich einer hauptsächlich programmiert und einer hauptsächlich konstruiert. Die waren natürlich dauernd zusammen, haben Schulter-an-Schulter gearbeitet, wie eben programmieren und konstruieren zusammen gehört, Hardware bedingt Software und Software bedingt Hardware!«

D (Thomas Madeya): »Was die Kinder angeht, ich glaube, es ist sehr sinnvoll, so etwas zu haben wie den Chefkonstrukteur, der also wirklich dafür sorgt, dass die von wahrscheinlich verschiedenen Teammitgliedern gebauten Dinge am Ende passen. Es wird oft unterschätzt, dass man in der Vorbereitungsphase hier n Werkzeug ausprobiert und da noch eins baut und dann kurz vor dem Wettkampf erst auf die Idee kommt, aber es muss ja alles hintereinander passen in den 2 Min.30. Aber wenn man von vornherein jemand hat, der immer wieder d’rauf guckt und fragt, wie passt das zusammen, und welche Teile vom Roboter dürfen nicht auseinandergenommen werden, weil sonst irgendwelche Sachen nicht mehr gehen, halte ich für wichtig.…Programmierer-Rolle? Ähnliches Modell: auch einen würde ich da ausgucken, der genau weiß, welche Programmteile es gibt, der muss nicht alles selbst schreiben, aber der muss zumindest ‘nen Überblick haben, also wenn man’s jetzt groß sieht, was sind die Schnittstellen, was sind die Module und das muss dann sicher auch zu der Hardware passen.«

D (Mario Brauer): »Bei uns gibt’s meistens diese drei großen Kernkomponenten, Roboter-Grundgerüst, Roboter-Zusatzteile, Roboter-Tester für den Roboter-Wettbewerb. Es sind meistens …zwei Schüler, die eine Aufgabe übernehmen…. So dass eigentlich jeder so zwei bis drei Aufgaben maximal hat,…das heißt, zwei machen das Roboter-Grundgerüst, müssen dort eben für Stabilität, Leichtläufigkeit und so weiter sorgen, dann machen zwei bis drei Schüler meistens die Zusatz-Anbauten, die man am Grundgerüst dann befestigt und auch zwei Schüler werden dann den Roboter immer testen.…Das bedeutet sowohl die Programmierung als auch dann die exakte Anpassung, wobei das hängt immer von der Gruppengröße ‘n bisschen ab, dass manchmal noch aufgeteilt, dass es da Schüler gibt, die eigentlich nur die Programmierung, der sitzt am Computer und kriegt dann eben von dem Testteam noch die Hinweise, ’also Du, der muss noch 5 Zentimeter weiter laufen und dann sich erst drehen’, das dort wirklich eine Arbeitsteilung stattfindet.«

D (Thomas Madeya): »Wie man es auch anders ‘rum immer erlauben muss und vielleicht sogar fördern, dass die, die eher einen Hang zur Forschung haben, typischerweise, dass die dann auch mal über die Schulter gucken, die Programme angucken, und auch konstruktiv kritisieren dürfen und sagen: ’erkläre mir mal, ich verstehe nicht, warum sieht das hier so aus?’ – die sind ja alle fit auf Technologie in dem Alter!«

D (Winfried Schmitz): Jeder sollte von allem Ahnung haben, wobei im Bereich Programmieren und Bauen sich zumeist je zwei Spezialisten herausbilden, diese Spezialisten sind nicht unbedingt diejenigen, die beim Wettkampf an der Platte stehen!

Pilot und Copilot

D (Thomas Madeya): »…es gibt eine Rolle, oder vielleicht ist es ein Zweier-Pärchen, die sind beim Wettkampf diejenigen, die am Tisch stehen, unser Name war immer Fahrer und Beifahrer, oder Pilot und Copilot. Der eine, der immer den Roboter startet und einfängt, der Andere, der ihm beim Werkzeugwechsel hilft und auch sonst beratend ist.«

AUT (Michael Sieb): »’Vorführer oder ’RennmechanikerInnen’, die es am besten und schnellsten verstehen, bei Pannen am Set zu helfen, einen Roboter hochzunehmen und ein Teil neu auszurichten, an den Stellschrauben nachzubessern.«

AUT (Andreas Bellony): »Es ist so, die zwei Burschen, die das eben gebaut und programmiert haben, sind auch die Fahrer und Beifahrer,…das heißt, die letzten zwei Wochen vorm Wettbewerb wird eigentlich nicht mehr viel gebaut und programmiert, sondern wird nur noch gefahren und trainiert!«

D (Mario Brauer): »In den meisten Fällen sind das die Teams, die dann auch den Roboter immer testen! Weil sie dort eben dann schon den direkten Zugang haben, wie probiere ich das? Wo muss das hin?«

AUT (Andreas Bellony): »Und wenn die Schüler dann auf Zeit am Tisch trainieren, dann schau’n halt die anderen zu und dann ist auch einer, der nur beim Forschungsauftrag die Hauptrolle hat und beim Roboter eben nicht, der ist dann eben Schiedsrichter und muss dann die Punkte zusammen zählen oder übernimmt die Zeitnehmung. Also es ist irgendwie jeder eingebaut.«

ForscherIn

AUT (Andreas Bellony): »Für den Forschungsauftrag sollen sich mindestens drei zuständig fühlen. Natürlich können das auch Programmierer und Bauer sein.«

D (Thomas Madeya): »Forschungsauftrag ist jetzt die andere Seite, da geht’s jetzt tatsächlich darum zu überlegen, welche Probleme gibt es, welches suchen wir aus? – da muss man rausgehen und Experten befragen, da braucht man die richtigen Kinder.…Es ist aber an der Stelle auch ‘ne gute Idee, die Robot-Bastler gleich mitzunehmen, also denen nicht zu erlauben, nur Roboter zu machen, sondern zu sagen, dass sie auch einen Teil der Forschung machen. Am Anfang macht man so’n bisschen Brain Storming, wo gehen wir denn hin, und dann muss man wirklich auch in die Breite gehen und idealerweise sollte jeder aus dem Team zu dem Thema - das Thema der kommenden Saison ist ja ’Klassenraum der Zukunft’ – dass man sich überlegt, welche Themen könnten interessant sein und jeder aus dem Team geht jetzt mit dem Thema einen ersten Schritt und kommt wieder und sagt, was er da erreicht hat oder was er gesehen hat. Wenn man dann später gesehen hat, okay, wir nehmen das Thema ’Kommunikation über Grenzen hinweg’, um mal irgend eins auszudenken, dann braucht man vielleicht nur zwei oder drei, die das vertiefen.…Empfehlenswert ist aber sicherlich, da vom Forschungsauftrag alle mitzunehmen und dann würde ich auch ein Augenmerk d’rauf legen, dass auch die Programmierer und Konstrukteure sich nicht komplett auskoppeln können. Die werden mit gutem Grund weniger Arbeit wahrscheinlich machen, weil sie ja auf der Robot-Game-Seite auch viel zu tun haben, aber ich würde sie alle immer mitnehmen!«

D (Mario Brauer): »Ich versuche immer dorthin zu tendieren, dass eben dort jeder beteiligt ist, weil das eine ist ja wirklich, diese Roboter bauen, aber das andere ist, sie sollen sich auch noch mit dem gesellschaftlichen Kontext darum beschäftigen und dort setze ich auch ganz konkret Zeiten an, sage: ’heute machen wir eben bloß mal ‘ne halbe Stunde lang am Roboter bauen, aber wir legen auch mal noch ‘ne halbe Stunde lang und beschäftigen uns heute mal intensiv mit dem Forschungsauftrag!’ – und dort sind eben auch alle involviert.«

AUT (Andreas Bellony): »Es ist so, dass der Forschungsauftrag der Teil ist, den die Schüler am Wenigsten gerne haben. Aber ich finde den total wichtig! Also für mich als Lehrer ist der, so wie er ist, genau richtig, genau so soll er weiter geführt werden!«

Präsentieren des Forschungsauftrags

CH (Christian Lonsky): »Und diese Forschungspräsentation, da braucht es wie eine andere Art von Mensch. Ein ingenieurmäßig denkender Mensch hat vielleicht nicht dieses Feeling, was bei einer Forschungspräsentation wichtig ist, wie man das an und wie erzähle ich es den Leuten und so. Es war bisher immer ein bisschen ein Krampf, das haben sie dann in früheren Jahren einfach in der letzten Woche noch so irgendwie gemacht, und haben sich nachher gewundert, dass sie dann nie auf einen grünen Zweig kamen. Und dieses Jahr, also diese Saison, war es mal anders. Zwei Neue aus der Schule ’eingeflogen’, die eigentlich mehr geisteswissenschaftlich und musisch orientiert sind. Die haben das dann gut können, die konnten sich hinstellen, gut Englisch sprechen und so weiter.«

AUT (Andreas Bellony): »Für die Kreativen im Team habe ich die Aufgabe Teamlogos zu zeichnen. Nach einer Abstimmung kommt das Sieger-Logo auf unsere Team T-Shirts.«

D (Thomas Madeya): »Wir haben tatsächlich auch geschaut, die Rollen im Team zu besetzen, wo die Jungs eher schwach waren. Und da kamen dann tatsächlich auch Mädchen aus der Klasse oder Parallelklasse dazu, die ganz bewusst auch eher musisch, künstlerisch unterwegs waren, und dann mit der Kreativität in der Forschungspräsentation unterwegs waren. Aber selbst die ist auch wissenschaftliche Arbeit, also es ist ja nicht nur ‘n Theaterstück am Ende.«

AUT (Andreas Bellony): »Wenn wir den Forschungsauftrag (gemeint ist hier die Präsentation der Forschungsergebnisse – d. Verf.) trainieren, dann sind alle inkludiert. Alle Acht müssen eine Aufgabe haben.«

D (Thomas Madeya): »Jeder sollte mitmachen und die Regeln sehen ja auch zumindest bei der Präsentation vor, dass jeder eine Rolle hat.«

Weitere mögliche Rollen im Team

AUT (Andreas Bellony): »…Beispielsweise habe ich einen, der macht mir die Buchhaltung. Das ist für mich ein ganz wichtiger Punkt, der die Ein- und Ausgänge aufschreibt, und die Sponsoren und so weiter.«

AUT (Andreas Bellony): »Das ist jetzt eine Eigenheit von mir: wir haben neben der Buchhaltung auch ein ’Tagebuch’, sprich ein Schüler, der macht ein Drittel seiner Zeit nicht anderes als das Tagebuch. Das heißt, er macht eine mit Bildern dokumentierte Niederschrift, die ausgedruckt wird und in der Jury vorgelegt wird, sein Tagebuch auf Zeit zu ’was hat man wann gemacht?’«

D (Mario Brauer): »Ich …sage, ich bin eigentlich Tutor! Und meine Aufgabe ist es, Euch zu beraten. Und die erste Aufgabe, die ich mache, ist: ’wählt bitte mal einen Teamleiter!’ Das ist in den sechsten Klassen immer ein riesengroßes Problem, bis man dort erst mal eine Struktur gefunden hat, wo man sagen kann: ’liebe Leute, Ihr setzt Euch jetzt mal zusammen, ich helfe Euch auch dabei’ – sage – ’Ihr überlegt jetzt mal, wem traut Ihr denn unter Euch am meisten zu, dass er Euch als Gruppe nach außen vertritt?’ Dann habe ich nämlich als Lehrer und Tutor eigentlich einen Ansprechpartner und kommuniziere über den.«

AUT (Andreas Bellony): »Also pro Team hab ich meistens einen oder zwei Chefs, als Kapitän kann man sie auch bezeichnen, die werden vom Team selber gewählt – ich hab’ jetzt momentan im Team zwei Kapitäne, ein Mädchen und einen Buben – die prinzipiell mit mir zusammen die zeitlichen Abläufe planen. Das heißt, es gibt einen Zeitplan, schnell erklärt, wir fliegen nach Brasilien, jetzt erste September-Woche, und in dem Team, das ich jetzt darauf hin trainiere, da hab ich zum Beispiel zwei Kapitäne, und die machen die zeitliche Einteilung und schauen, dass das Ganze läuft!«

Die Lehrer bzw. Multiplikatoren-Rolle

D (Thomas Madeya): »Natürlich ist es wichtig, nicht die Arbeit der Kinder zu machen. Und das bringt auch niemanden weiter und spätestens beim Semifinale oder so fallen diese Teams dann auf und fallen dann auch ‘raus. Wenn ein Lehrer die Roboter baut, wenn ein Lehrer die Forschungsarbeit macht, das nehmen die Jury-Mitglieder wahr und vergeben entsprechend weniger Punkte, das trägt nicht, das macht keinen Sinn. Erleben wir immer wieder, sind so Randeffekte, eine ganz geringe Prozentzahl – aber das Extrem gar nicht!«

D (Winfried Schmitz): Ich gebe Starthilfe, das heißt, ich vermittle den SchülerInnen, wie man prinzipiell einen Roboter baut und diesen programmiert, d.h. das Minimal-Handwerkszeug gebe ich vor. Dann bin ich eher Berater oder auch Helfer bei Problemen, aber hier müssen die Teilnehmer auf mich zukommen, diese Initiative muss von den SchülerInnen kommen. Meine Hilfen gehen soweit, dass die SchülerInnen mit einem konkurrenzfähigen Konzept in die Wettbewerbe gehen können. Die Umsetzung und Realisierung liegt in der Hand der SchülerInnen, siegfähig werden die Teams nur mit Eigeninitiative.

D (Thomas Madeya): »Besser sind natürlich immer offene Fragen, wie könnte man das machen, warum hast Du so gebaut, welche anderen Möglichkeiten gibt’s noch, also einfach Katalysator sein ,…den Prozess besetzen, wir sind jetzt hier, da hinten wollen wir hin – ’welche Aufgaben seht Ihr, müssen wir noch machen? Was davon glaubt Ihr, ist das Wichtigste?’ – und dementsprechend abarbeiten! Und die Kinder daran wachsen lassen und immer wieder erinnern: ’das hier habt Ihr Euch ausgesucht als nächstes Arbeitspaket bis übernächsten Donnerstag, wo steht Ihr da?’«

CH (Christian Lonsky): »Ich würde sagen, mehr Begleiter,…in der Vergangenheit gab es Teams, bei denen die Coaches ältere Schüler waren, die mit den Jüngeren geübt haben und so. Also wir als Lehrer sind da bisher extrem zurückhaltend gewesen!«

AUT (Andreas Bellony): »…wieder zurück zu unserer Schule, wir machen das eben klassenweise.In der ersten Klasse werden sie in die Robotik eingeschult. Zum Wettbewerb fahren wir erst mit den Zweitklasslern. Wenn sie da noch nicht so gut abschneiden ist es nicht so ein großes Problem, denn sie haben noch zwei Saisonen vor sich. Und sie lernen so, sich von den Großen das eine oder andere abzuschauen.«

D (Thomas Madeya): »Jetzt gibt’s natürlich Punkte, nehmen wir mal an, die Kinder haben festgestellt, für den Roboter brauchen sie ein Programm, mit dem man einer Linie folgen kann. Da würde ich sagen, je nachdem wie alt die Kinder sind, ist es völlig okay, in eine andere Rolle ‘reinzugehen und zu sagen: ’ich erkläre Euch das Konzept und Ihr baut dann die Implementierung, ihr programmiert das, ihr baut das!’ Bei Älteren würde ich sagen: ’macht ‘ne Internet-Recherche, findet es selber raus!’ Bei Jüngeren ist es durchaus fair, zu sagen, da gebe ich dann auch mal wirklich im Lehrersinne frontal, erkläre ich, wie es geht und sie tun es dann aber!«

CH (Christian Lonsky): »In der Endphase dann schon eher, ich war dann auch ein bisschen dabei, weil wir gemerkt haben, jetzt könnten sie ja mal aufhören, immer wieder eine neue Version zu bauen, sondern das, was bestehend ist, das Gute, weiter zu führen und weiter zu entwickeln. Wenn man mit sehr begabten Leuten zu tun hat, die sind manchmal auch sehr eigenwillig. Sie ’wurschteln’ halt so ein bisschen vor sich hin, und bauen einen Roboter, haben eine gute Idee, und dann gefällt er ihnen nicht und dann bauen sie ihn grad’ wieder neu und dann wissen sie nicht mehr, wie der Vorige ging. Also strukturiertes oder modulartige Vorgehen, das ist Schülern ziemlich fremd. Da kämpfen wir als Betreuer immer ein bisschen, aber irgendwie sehen sie das nicht ein, oder, sie sagen dann habe ich keine Lust mehr.«

D (Thomas Madeya): »Dann der andere Teil, es ist glaub ich ‘ne ganze Menge Projektmanagement und Teamwork. Keiner kann das alleine stemmen. Das heißt, ich muss letzten Endes als Lehrer, als Coach von so ‘m Team muss ich den Projektleiter stellen und ich muss dafür sorgen, dass klar ist, was noch alles passiert, passieren muss, und was die Auswirkungen sind, wenn’s nicht passiert. Es ist wirklich absolut kritisch, mission critical, das im Griff zu haben, nicht um zu diktieren, sondern um den Überblick zu behalten.«

AUT (Andreas Bellony): »…und wenn ich von der Vierten spreche, also das Team, mit dem ich jetzt nach Brasilien fahre, ist dann ab September vierte Klasse, bzw. bei Euch achte Klasse, dann bin ich wirklich eigentlich nur mehr noch, ja, Mentor denk ich, das ist ein besserer Name als Coach, das heißt, ich halte mich nur zurück und wenn sie mich brauchen, dann helf ich Ihnen.«

CH (Christian Lonsky): »In der Theorie sagt sich das sehr leicht, der Lehrer ist Moderator! Es heißt ja nicht, dass ich besser programmieren kann oder besser konstruieren, aber man hat doch manchmal, auch wenn man Unterrichts-Besuche macht, so einen Blick auf die Dinge, man sieht eigentlich schnell, das könnte besser oder anders gemacht werden. Ich kann ihnen nicht sagen genau wie, sondern ich kann ihnen nur Fragen stellen, also: ’denkt Ihr, dass das eine günstige Lösung ist?…’, nur ein Beispiel,…sie haben das Gefühl gehabt: ’Ja, wir haben eine Idee! Dann bauen wir das, und wenn es ein, zwei Mal funktioniert, ist die Sache gegessen!’ – Und wir als Betreuer haben gesagt: ’Nein! Also industrielle Standards sind halt, es muss mindestens neun von zehn Mal funktionieren, am besten zehn von zehn Mal. Oder 20 von 20 Mal!’ Der Roboter muss unter allen Bedingungen so gut laufen, es müssen einfach souveräne und einfache, stabile Lösungen sein. Das haben sie natürlich zwei Jahre lang nicht geglaubt! Dann mussten am eigenen Leib erfahren, dass sie halt zu komplizierte Dinge gebaut haben, die zum Beispiel von der Bandenhöhe zum Beispiel des Spielfelds, von der Beschaffenheit des Spielfelds oder von den Lichtverhältnissen sehr abhängig waren. Und dann haben sie sich gewundert, wenn sie woanders hinkommen, sieht alles anders aus, und dann hat der Roboter statt 400 Punkten halt nur 150 geholt – und haben sie manchmal allen Anderen die Schuld gegeben!«

D (Thomas Madeya): »Also da sollte ein Lehrer dann schon die Finger von lassen, auch wenn sie sehen, dass geht vielleicht den Bach runter, das sind ja genau die Erfahrungen, die die Kinder machen müssen, um gestärkt da wieder raus zu kommen. Als Coach eine der größten Schwierigkeiten, stellen Sie sich das Bild vor: Ich sitz’ auf meinen Händen…damit ich da nicht ‘rein greife! Aber nur so geht’s halt!«

6.2.9  Fehlerkultur pädagogisch erwünscht

Fehler erlauben, um Selbstwirksamkeit zu vermitteln?

CH (Christian Lonsky): »…sie wollten sehr schnell ihre eigenen Erfahrungen machen und sich nicht von uns Begleitern was sagen lassen. Das hat natürlich dann die Konsequenz gehabt, dass sie viele Irrwege auch selber machen mussten. An der Schule werden im Unterricht ja oft die elegantesten Wege oder Abkürzungen gezeigt, im Prinzip werden Erfahrungen übergangen und die haben sie dann natürlich selber gemacht!«

D (Thomas Madeya): »Viele Dinge, die in der Schule passieren, grade Frontalunterricht und stringente Dinge, linear vorwärts ohne Rückblick, das habe ich alles versucht zu vermeiden und habe versucht, kurze Feedback-Schleifen einzubauen: ’wir fahren jetzt mal den Roboter mit Vollgas gegen die Wand, aha, okay, dann geht er halt kaputt’, oder ’wir gucken, ob die Räder durchdrehen, nicht theoretisch im Physikersinne, sondern wir drehen das Ding einfach mal rum und ab geht’s’ – und das habe ich auch wirklich von den Kindern in den vergangenen Jahren ‘rückgespiegelt bekommen – ’warum macht das hier mehr Spaß, warum ist das interessant, weil es eben nicht wie die klassische Schule ist’ – dazu gehören diese kurzen Feedback-Schleifen: ’ich tu heute was, ich sehe, der Roboter bewegt sich anders!’«

AUT (Andreas Bellony): »Ich kann durchaus mal eine Woche nur zuschauen und nichts tun, und sie eine Woche lang in die falsche Richtung forschen lassen oder bauen lassen, programmieren lassen, die Geduld habe ich schon! Und die braucht’s auch, denn am Falschen lernt man sehr viel!«

D (Mario Brauer): »…da gibt’s welche, die müssen das Roboter-Grundgerüst bauen, da gibt’s welche, die müssen Roboter-Zusatzteile bauen, da gibt’s welche, die sollen den Roboter testen, und ich empfehle dort immer, auch wirklich unterschiedliche Personen zu nehmen, weil einfach der Hintergrund ist, wenn jemand anderes das macht, dann merkt man auch Fehler schneller.«

AUT (Michael Sieb) »Zum Beispiel beim Robot-Game gibt’s ja drei Durchgänge, die gewertet werden. Und es gibt, glaub ich, ganz ganz wenige Teams, die drei perfekte Durchgänge zusammen bringen, ja, da passiert immer irgendwas, irgendwas geht nicht, der Roboter spinnt, sie haben vergessen was zusammen zu schrauben. Also da passiert schon auch im Wettkampf was, wo sie sich schon überlegen: ’na okay, das nächste Mal machen wir was anderes, probieren wir doch vorher Aufgabe drei und erst zwei, ja, weil die 3er schaffen wir eher als die 2er, oder das Licht ist anders oder der Tisch ist anders, die Matte hat…’ – keine Ahnung, solche Sachen passieren beim Wettbewerb schon auch.«

D (Mario Brauer): »Das betrifft solche ganz profanen Dinge, wie – in den ersten Jahren war es noch möglich gewesen, den Roboter-Baustein mit Infrarot zu programmieren – und ich habe den Schülern die Empfehlung gegeben, gesagt: ’baut den Roboter so, dass nicht aus Versehen mal ein anderer Infrarotstrahl den Roboter umprogrammiert!’…– haben sie gesagt: ’okay! Machen wir!…’ und als dann der Wettbewerb so kurz davor war, sage: ’habt Ihr das auch mal versucht zu berücksichtigen?’ – ’Nee, das brauchen wir nicht!’ – ich sage: ist in Ordnung! Das Ende vom Lied war, zum Roboterwettbewerb selbst saßen sie am Vorbereitungstisch und das Nachbar-Team hat auch gerade seinen Roboter programmiert und der Roboter unseres Teams hat genau diese Information per Infrarot empfangen und sie sind damit zum Wettbewerbstisch gegangen und es hat nichts mehr funktioniert, weil die gesamte Programmierung überschrieben wurde – das ist ihnen genau einmal passiert! …die Erkenntnis, dass, wenn man einen Fehler gemacht hat, den das nächste Mal nicht wieder macht, ist auch eine wichtige Erkenntnis!«

6.2.10  Exkurs: FLL und die Mathetik

Was ist Mathetik?

In ihrer Grundbedeutung schließt die Mathetik, die Wissenschaft vom Lernen, heute jede Art des Lernens ein, also die Erforschung des Lernens sowohl mit als auch ohne Lehrer. Das Spektrum reicht hier vom Verständnis der Mathetik als »Technologie« bis hin zur Betonung einer »menschengerechten« beziehungsweise »gehirngerechten« Orientierung des Lernens an den Bedürfnissen des Lernenden. Bestätigung finden die in der kritischen Pädagogik bzw. Kritik der Pädagogik gewonnenen Erkenntnisse der Mathetik auch durch die modernen Neurowissenschaften, deren Forschungsergebnisse die traditionellen Praktiken der Wissensvermittlung in Schule und Beruf teilweise in Frage stellen.17

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Erfindergeist, unsere kreativen Potentiale, sind sehr abhängig von der Fehlerkultur.…Hinter Benotung steckt: wir dürfen keine Fehler machen! Wir brauchen eine Fehlerkultur, die unsere Neugier auch weckt.…Lernen funktioniert nur über Neugier! Wer die Neugier verloren hat, hat das Lernen aufgegeben, also müssen Lehrer Neugierde wecken, also weg von Didaktik zur Mathetik.[49]

Aus Fehlern lernen

wie steht es darum in der Schule, also der Institution, in der Lernen die zentrale Tätigkeit ist? In Tests und Klassenarbeiten führen Fehler zu einer schlechten Note. Im fragend-entwickelnden Unterrichtsgespräch haben Schülerinnen und Schüler Angst, etwas Falsches zu sagen, weil sich das auf die mündliche Note auswirken könnte und falsche Antworten, die vor »Publikum« geäußert werden, bloßstellen können. Solche offenen und verdeckten Leistungssituationen schaffen ein Unterrichtsklima, in dem kein Platz für Lernen aus Fehlern bleibt. 18

Der Erziehungswissenschaftler Professor Dr. Ulrich Klemm ergänzt: Lernpsychologisch und anthropologisch ist das eine fatale Situation, wenn wir Fehler vermeiden oder für Fehler bestraft werden. Ist es doch schon im Volksmund angelegt: »aus Fehlern lernen!« Menschen, die Fehler machen können und dürfen, die bleiben auch neugierig. Wo Menschen keine Fehler machen dürfen, da verschwindet auch die Neugierde. Ich verliere den Mut zur Neugierde. Mutlosigkeit ist auch eine Konsequenz einer sehr restriktiven Fehlerkultur. [48] ab 13:25-14:21 Min.

Professor Dr. Ulrich Klemm fordert deshalb für die künftige Schule eher den Lehrertyp, der animiert: »Aufgabe des Lehrers ist nicht, Wissen einzutrichtern, sondern eine Lernatmosphäre zu schaffen der Begegnung und des emotionalen Milieus weiter zu entwickeln.« [48] ab 19:21-19:36 Min. Denn für den Erziehungswissenschaftler muss es darum gehen, die Leidenschaft zum Lernen unserer Kinder in den Mittelpunkt zu stellen: »Wir müssen die Lernen-Energie nutzen, dazu müssen wir individualisieren.…Wir müssen eine Identität entwickeln, nicht nur Wissen vermitteln! Das Wissen, das wir zum Überleben benötigen, das haben wir zu 20 Prozent aus den Institutionen, 80 Prozent ist beiläufiges Wissen aus dem Alltag, außerhalb der Schule erfahren. Schule muss »ermöglichen«, »individualisieren«, was unter jetzigen Rahmenbedingungen extrem schwierig ist.…Die Leidenschaft, aus Stolz in die Schule zu gehen, zeigt: die Kinder wollen lernen – aber nach kurzer Zeit haben sie alle Tricks gelernt, dem Lernen auszuweichen.…Die Lehrpläne müssen viel Spielräume lassen, damit die Schule für die Kinder, nicht für die Inhalte da ist…. Wie schon die Freiarbeit bei Montessori…Erfindergeist, unsere kreativen Potentiale, sind sehr abhängig von der Fehlerkultur.…Hinter Benotung steckt: wir dürfen keine Fehler machen! Wir brauchen eine Fehlerkultur, die unsere Neugier auch weckt.…Lernen funktioniert nur über Neugier! Wer die Neugier verloren hat, hat das Lernen aufgegeben, also müssen Lehrer Neugierde wecken, also weg von Didaktik zur Mathetik.[48] ab 13:00 Min.«

Der Blickwinkel der Mathetik

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Mathetik betrachtet schulisches Lernen aus dem Blickwinkel des Schülers und charakterisiert das Verhältnis zwischen Lehrperson und Lernenden als »symmetrisch« und »herrschaftsfrei«. Das bedeutet, Schüler und Lehrperson stehen auf einer Ebene. Die Lehrperson ist nicht »Herr« des Lernenden, sondern Lernberater und helfender Erzieher. [55]

Der Begriff der Mathetik war nahezu in Vergessenheit geraten, bis Hartmut von Hentig ihn 1983 in einem Gutachten für die Freie Schule Frankfurt wieder aus der Versenkung geholt hat. »Mathetik ist eine notwendige Korrektur des gedankenlos verabsolutierten Prinzips der Didaktik: dass Lernen auf Belehrung geschähe.«[37]19 Der Lernforscher Hartmut von Hentig begutachtete die Freie Schule Frankfurt und bewertete deren Profil. Die Freie Schule Frankfurt hat demnach keine Didaktik, sondern eine Mathetik. Denn ihr Lernangebot basiere nicht auf Belehrung, sondern der Ermöglichung aktiven Lernens und produktiven Denkens. Dies erfolge durch:

Entsprechend grenzt sich die Mathetik von den entwicklungspsychologischen Schemata und Normen der vorherrschenden Didaktik unseres Schulsystems ab. Denn in den meisten Schulen würden die Kinder seitens der Erwachsenen hauptsächlich belehrt. Belehrung aber ermüdet und erzeugt träges Wissen, das schnell wieder vergessen wird und kaum reaktivierbar ist. »Es erscheint demnach für die Entwicklung fundamentaler Lernkompetenz besonders wichtig, bei der Gestaltung von Lernarrangements möglichst wenig an schulische Lernformen anzuknüpfen. Das kann u.a. heißen: alternative Lernformen sollten möglichst oft interdisziplinär arbeiten und den herkömmlichen Fächerkanon aufbrechen; sie sollten (zumindest zeitweise) auf Noten verzichten und statt auf Selektion auf Kooperation abstellen; es sollten möglichst häufig interaktive Lernformen gewählt werden, die Teamarbeit, selbstgesteuertes und selbstorganisiertes Lernen, soweit wie dies mit der Zielgruppe möglich ist, initiieren; das pädagogische Personal sollte die Lernprozesse moderieren, nicht kontrollieren usw.« Aus dem Abschlussbericht der Universität Bremen [21] 20

Lerntheoretisch lassen sich auch Angebote wie Roberta21 oder FIRST® LEGO® League aus den Basissätzen der Mathetik begründen. Versteht sich doch die Mathetik als Lehre vom »Lernen zu lernen«. Dies verlange, den Kindern zu ermöglichen, herauszufinden, wie und wann sie an ihre Lernbedürfnisse herangehen und ihre Lernziele erreichen. Wenn das Ich des Kindes betroffen ist, wenn es seine eigene Lebenswelt in dem zu Lernenden wieder findet, wenn es mit allen Sinnen handelnd etwas für sich selbst entdeckt, dann erfolgt die notwendige aktive Ausbildung eigener Sinn- und Erkenntnisstrukturen als Aufbau von dynamischen Denksystemen, die erweitert, verändert und verdichtet zu selbstständigem Handeln führen. Gerade eine Aktivität wie FLL verlangt schnelle Korrektur von Fehlern, die zwangsläufig beim Programmieren entstehen, aber auch beim Konstruieren etc., also nicht erst lange nach einer Klassenarbeit, in der späteren »Berichtigung«, sondern gleich am Medium in direkter Interaktion – »das Ding muss tun, was ich ihm sage« – direktes Feedback führt zu hoher Selbstwirksamkeit!

In einem Interview mit der Begleitforschung hat Fred Martin vom MIT (Boston/USA), einer der Entwickler von LEGO® MINDSTORMS®, diese Situation mit folgenden Worten beschrieben:

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The teacher tested it. […] but he couldn’t solve the problem…it was a big thing in his life …the child believed it was a contruction problem, not a programming problem. And the child was right […] So the programming wasn’t the issue, the programming was perfect. It was a contruction problem and it was a child that solved the problem. That really bothered him [the teacher] and only then he began to realize that he was …not infallible. So he began to see that it was a very different type of learning environment. [53]

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Abbildung 6.9: Aus Fehlern gelernt…[23]
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A great potential in learning is to learn not just from success, but also from mistakes. Encouraging learners to look at mistakes made by others and by themselves and thus to encourage them to overcome these mistakes is an important source for …education. We should therefore have a look on weaker examples instead of only considering the best resulting products, in order to support and encourage refining processes.22

Ein FabLab (engl. fabrication laboratory – Fabrikationslabor) ist eine offene, demokratische High-Tech-Werkstatt mit dem Ziel, Privatpersonen industrielle Produktionsverfahren für Einzelstücke zur Verfügung zu stellen. Typische Geräte sind 3D-Drucker, Laser-Cutter, CNC-Maschinen, Pressen zum Tiefziehen oder Fräsen, um eine große Anzahl an unterschiedlichen Materialien und Werkstücken bearbeiten zu können (»make almost everything«). FabLabs erlauben die unkomplizierte Anfertigung von hoch individualisierten Einzelstücken oder nicht mehr verfügbaren Ersatzteilen (Rapid Manufacturing). [54]

Und was meinen die für diesen FLL Ratgeber befragten Experten zur Fehlerkultur im Rahmen der Vorbereitungen auf FIRST®  LEGO®  League und ihre Wettkämpfe?

Fördert FLL aktives Lernen aus Fehlern und produktives Denken?:

Austria (Michael Sieb): »Ja! Anders geht’s gar nicht, würd’ ich einmal sagen: und gerade weil es Robotik betrifft, das ist ’Try and Error’! Da probiere ich eine Strategie aus und mach’ was, das funktioniert super oder funktioniert nicht, oder oft ist es so, dass ein Team zum Beispiel Parallellösungen entwickelt, ja, das es Zweig A gibt und Zweig B gibt in der Entwicklung, und die zwei sich dann gegenseitig die ganze Zeit matchen, ja! Man hat eine bessere Lösung gefunden, die wird übernommen in den endgültigen Roboter und dann geht’s wieder weiter: das nächste Problem wird analysiert und gelöst. Also das ist ein sehr, sehr iterativer Prozess, wo es eben keine richtige Lösung gibt, ja! Weil auch eine Aufgabe auf dem Tisch zu lösen – manchmal gibt’s fünfzig verschiedene Möglichkeiten, oder wahrscheinlich paar Hundert verschiedene Möglichkeiten…– und da kommen ganz kreative Lösungen raus, die gar nicht herauskommen können, wenn man ihnen von vorhinein vorgibt: ’okay, um jetzt einen Gegenstand von A nach B zu bringen, verwende diese Methode ja!’, sondern die probieren das aus und finden da viele Methoden raus.«

CH (Christian Lonsky): »Also dieses Konstruieren und Programmieren und Planen hat ja sehr viel Ähnlichkeit mit dem, was nachher das Berufsleben auch wichtig ist. Und sie haben hier die Möglichkeit, in einem freien Rahmen viele Fehler zu machen, korrigieren sich selbst. Das ist das Schöne an der Robotik, dass, wenn man einen Fehler macht, das es aus der Sache selbst korrigiert wird. Also das Bedürfnis: ’der Roboter macht nicht das, oder nicht immer das, was ich will, wie kann ich das beheben?’, entsteht aus der Sache selbst, nicht weil ich als Lehrer sage: ’da ist ein Fehler passiert, den musst Du beheben!’ Und das finde ich eben, das Reizvolle, was mich an der Robotik von Anfang an fasziniert hat und das habe ich dann so ein bisschen versucht, weiter zu geben. Und das merken die Schüler auch. Wenn ich sie beobachte, die wollen selber den Fehler, der passiert ist - dass der Roboter nicht das macht, was er soll, entweder weil die Hardware nicht ideal ist oder wenn die Programmierung fehlerhaft ist – sie wollen das selber verbessern. Und das finde ich sehr schön an diesem ganzen Konzept!« D (Thomas Madeya): »Es gibt so’n Begriff, der heißt ’Epic Failure’, also es geht dermaßen total schief, dass alle sich kaputt lachen. Wenn ich das nicht zulasse, wenn ich solche Verhaltensweisen nicht zulasse, dann werde ich die Kinder verschrecken. Das ist fast ‘n Kulturschock, also wenn sie aus der ganzen Videospiel-Welt diese ganzen Dinge gewöhnt sind, und ich lasse die in meinem Team nicht zu, dann mach in einen Riesenfehler! Wenn Sie mein Team fragen würden, warum sie vor allem in der letzten Saison so gut waren, dann hören Sie einen Satz, der ist englisch und lautet: ’fail often and early!’ Nur wenn ich ausprobiere, nur wenn ich früh merke, was nicht geht, kann ich den Pfad finden zu dem, was wirklich taugt und stabil ist! Und wenn man da angekommen ist, dass es okay ist, dass man was falsch programmiert, dass man sich im Forschungsauftrag mal verplappert, und dann lachen halt alle mal, aber dann kommt auch die Ernsthaftigkeit zurück, und wir gehen wieder auf Anfang und dann läuft das. Also das muss erlaubt sein, weil Fehler machen muss erlaubt sein, und ich würde es auch wirklich fordern, weil, wenn ich die Fehler nicht sehe, weiß ich nicht, warum meine Lösung eine gute Lösung ist!«

Austria (Michael Sieb): »Das ist sehr spannend, wenn man Teams begleiten kann von Anfang an…, wirklich zu sehen, wie die Teams auch besser werden, aber nicht nur der Roboter, auch die Forschungspräsentation, wie ihr Auftreten besser wird – also da passiert ganz, ganz viel unbewusstes Lernen und ganz viel soziales Lernen.«

FLL als geeigneter MINT-Förderansatz für Heranwachsende in der Pubertät?

AUT (Michael Sieb): »Ja, ich glaub schon! …die guten Teams stecken ja sicher mehr als hundert Stunden Vorbereitung in so ‘n Wettbewerb, in der ersten Stufe, und während der Zeit werden sie ja nicht zu hundert Prozent von einem Coach betreut – zumindest die Teams, die ich kenne, nicht – sondern die Teams sind halt phasenweise, wenn der Coach, keine Ahnung, wenn das der Lehrer ist, im Nebenzimmer sitzt und Schularbeiten kontrolliert, …also mehr so eine entfernte Aufsichtsfunktion ausübt, das Team aber selbst Entscheidungen treffen muss: ’wie machen wir es jetzt, machen wir A oder machen wir B?’, all die Konflikte, die auftreten, die das Team zum größten Teil selber lösen muss.…man merkt halt wirklich bei Teams, die man dann im Folgejahr wieder sieht – ich kenne es auch von anderen Bewerben wie >Jugend Innovativ<, was ein großer Wettbewerb in Österreich ist, dass es doch sehr stark zur Persönlichkeitsentwicklung beiträgt bei den Teilnehmerinnen und den Teilnehmern.«

D (Mario Brauer): »Kann ich mir nicht hundertprozentig einen Überblick verschaffen, weil ich als Lehrer tagtäglich mit diesen Altersgruppen umgehen muss. Insofern ist da eine gewisse Routine eingetreten, ’wie geht man mit pubertären Problemen um’, ich kann dort keine wesentlichen Änderungen feststellen. Es ist ein anderes Arbeiten als im Unterricht, weil ja dort wesentlich weniger der Lehrer als Autoritätsperson im Vordergrund steht, sondern ich vielmehr wirklich als Tutor, als Berater denen dort zur Seite stehe.«

CH (Christian Lonsky): »Ich glaube, das kommt ihnen sehr entgegen! Ich denke, es geht mehr Richtung Stabilisierung der Persönlichkeit! So dass der Schüler oder die Schülerin sagt: ’ja, auf Französisch habe ich eigentlich überhaupt keine Lust! Aber weil ich gerne Robotik mache, ja, dann mache ich halt französisch. Ich denke, dieser Stabilisierungsfaktor, ist ziemlich wichtig für die Pubertierenden.«

AUT (Michael Sieb): »Auf der anderen Seite weiß ich …, dass in der Pubertät Mädels, die ganz begeistert dabei waren, in der Pubertät herausfallen.«

acatech, die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften, unterscheidet zwischen Förderung des Technikinteresses und der Talentförderung – welches Ziel bedient FLL Ihrer Meinung nach eher?

AUT (Andreas Bellony): »Für mich ist es eher Talenteförderung mit einem starken Bezug zur Technik. Die verschiedenen Talente der Teammitglieder kommen dann während der 3 Monate der Vorbereitung gut heraus. Oft sind dies Fähigkeiten, die ich als Lehrer nie entdeckt hätte.«

CH (Christian Lonsky): »Ich glaube, es ist schon hauptsächlich die Talentförderung…. Ich rede nicht gerne von Talent, denke eher so in Richtung ’Hochinteresse’, woher das auch immer kommt, Talent ist noch was anderes. Es sind aber Leute, die wollen das unbedingt! Und denen eine Möglichkeit zu geben,…die zu fördern, damit die nicht verkümmern, das ist so ein bisschen meine Zielrichtung aus der Erfahrung heraus!«

6.2.11  Perspektiven für herausgewachsene Altersgruppen

Peer-Tutoring als neue Aufgabe?

D (Thomas Madeya): »Mit der Saison Senior-Solutions haben wir es dann tatsächlich geschafft, auf dem zentraleuropäischen Wettkampf Vierter zu werden und damit dann ein Ticket zu bekommen zur Open European Championship…in Paderborn. Wenn Sie da noch nicht den Imagefilm gesehen haben - Open European Championship - Schmelztigel der Kulturen und Kinderbegeisterung pur! Dann sind wir in Paderborn abgefahren, ziemlich genau vor einem Jahr, Mitte Mai, und die Kinder haben im Bus hinter mir geheult: ’das kann doch nicht das Ende sein, jetzt sind wir zwar zu alt, aber das war so toll, wir wollen weiter machen!’ Dann haben die Kinder beschlossen, also sie haben sich das ausgedacht, nicht ich, weil andere Teams schon während der OEC gefragt hatten: ’warum fahrt ihr so präzise geradeaus oder wie habt ihr Eure Forschung gemacht?’ Also das wir gesagt haben, alles, was bisher streng geheim gehütet war, unsere Erfolgsfaktoren, die machen wir jetzt zugänglich. Also wer möchte, kann uns kontaktieren, dann hören wir uns an, welche Facette brauchen die, weil über alles kann man ja Tage reden, also was genau braucht ihr, und wir schneidern dann was zusammen und gehen dann dahin…. Bezahlung sind Kekse und einen Kaffee und ab und zu auch mal ein MediaMarkt-Gutschein. Aber das ist nicht eine Forderung von unserem Team, sondern das kriegen wir als Wertschätzung von den Neulings-Teams…. Wir beraten natürlich hauptsächlich SAP-Teams, waren aber letztes Jahr dann auch quasi auf eigene Kosten als Schiedsrichter oder Jurymitglieder beim Semi-Finale in Innsbruck oder dann beim Finale, was wieder in Paderborn war, das europäische….’ 23

CH (Christian Lonsky): »Die werden jetzt auseinandergehen24 , einer wird das Know-How an das jüngere Team weitergeben. Ältere Schüler unterrichten, bilden jüngere Schüler weiter, das ist immer ein Traum von mir gewesen. Das läuft eigentlich gut, aber mit Unterstützung von einem Kollegen und von mir achten wir darauf, dass die Selbstverwaltung nicht ausartet.«

D (Thomas Madeya): »Wenn ich an der Schule das vielleicht über mehrere Jahre betreibe, würde ich versuchen, auch so was wie Alumni-Absolventen zu kriegen, die das letzte Jahr dabei waren. Die reden mit Begeisterung, aber die sagen ihnen auch garantiert, was total daneben ging. Und das will man dann mit der nächsten Generation verhindern.«

CH (Christian Lonsky): »Ich meine, das mit FLL als Einstiegsebene finde ich sehr gut, man kann sich ja mit der Software weiter entwickeln, zum Beispiel…in Richtung LabVIEW ausbauen. Dann gibt es die Schüler, die sagen: ’ja, also dieses ganze grafische Programmieren, da habe ich gar keine Lust, das ist ja nix!’ – dann kann man sagen: ’ja gut, da gibt es aber NXC,…!’ Das ganze Konzept ist nach oben offen, das finde ich sehr schön! Und auch von der Hardware, kannst Du sagen: ’ja, wenn Du keine Lust mehr hast auf Lego, da gibt’s weitere Wettbewerbe, wo man die Roboter mit frei programmierbaren Modulen besseren Sensoren, Motoren hat’.«

6.2.12  Schulische Rahmenbedingungen für FLL in den DACH-Ländern

Schulische Rahmenbedingungen in

Besonderheit in Deutschland

Spezifische Beteiligungshürden?

D (Mario Brauer): »Man muss sich dann zusätzlich engagieren, das so was eben mehr oder weniger im Freizeitbereich der Schüler, sprich AG-Bereich passieren kann. Das heißt in vielen Fällen auch im Freizeitbereich des Lehrers…. Weil ich das aus meiner Erfahrung als Ausrichterschule für den Wettbewerb regional hier mache: es ist immer sehr schwierig, auch Teams zu finden,…weil dort gerade hier bei uns in Sachsen eben zur Zeit Lehrer relativ stark, ich will es mal in Anführungszeichen sagen, ausgebeutet werden,…. Um es mal auf einen ganz großen Punkt zu bringen, in Sachsen gibt es keine verbeamteten Lehrer. Das heißt, es sind alles angestellte Lehrer, insofern kann man dort nicht so sehr, ja, auf die Freiwilligkeit hoffen…. Es gibt zwar dort Möglichkeiten, das Ganze über das Ganztagsangebot einer Schule zu regulieren, aber dort gibt es immer wieder Vorbehalte seitens der Schulleitung und so weiter und dort muss man dann eben ein dickes Fell haben, um dem zu begegnen.«

D (Mario Brauer): »In anderen Bundesländern geschieht so was kulanter, weil dann eben Stunden, die dort gehalten werden auch im Freizeitbereich, durchaus durch andere Maßnahmen abgegolten werden, dass man dann eben eine geringere Unterrichtspflicht hat, et cetera.«

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Abbildung 6.10: Spürbare Anspannung bei der Punktevergabe. [34]

Besonderheit in der Schweiz

Spezifische Beteiligungshürden?

CH (Christian Lonsky): »Ich rede jetzt von Chur, aus der Sicht des Organisators. Wir kämpfen schon jedes Jahr, genügend Teams hinzukriegen, und wie kriegt man Teams?…Die Plattformen wären eigentlich da, aber aus der Isolation des Lehrers herauszukommen, sich auszutauschen ist schwierig,…Das ganze läuft hier in der Schweiz, ich denke auch in Graubünden, alles über Mund-zu-Mund-Propaganda ab. Wir haben schon so viele Initiativen gehabt und so viele Briefe geschrieben, das landet alles im Eimer. Man muss wirklich gewisse Leute an der Schule, DEN kennen, DEN motivieren, und dann wird er, vielleicht im Schulhaus, wiederum andere gewinnen.…Bei uns kommen sie ja frühestens nach der 6. Klasse Primarschule, oder Grundschule, ans Gymnasium. Wir haben ein Langzeit-Gymnasium, und da kommen sie in der ersten oder zweiten Klasse, das heißt siebtes oder achtes Schuljahr. Wir sprechen sie an und sagen ihnen, da gibt es Möglichkeiten, kommt doch mal.25 «

Besonderheit in Österreich

Spezifische Beteiligungshürden?

AUT (Michael Sieb): »Eher für die Lehrer -– es ist sehr viel Zeit notwendig. Das Problem in Österreich ist, das die meisten Lehrer, die das machen, in ihrer Freizeit machen. Es gibt ganz wenige Schulen, die ein paar Stunden dafür zur Verfügung stellen, also Förderstunden oder so, zum Beispiel freigeben, aber dann auch nur eine Teilabdeckung. Also es gibt Niemanden, der sein Engagement in vollem Umfang abgegolten kriegt!«

AUT (Andreas Bellony): »In den letzten Jahren habe ich zwei Wochenstunden für die Robotik in meiner Lehrverpflichtung gehabt. Mit diesen Stunden ist ungefähr die Hälfte meiner Arbeit mit den Schülern abgedeckt. Es liegt am Engagement des Lehrers unbezahlt die restlichen Stunden für die Schüler in der Schule anwesend zu sein.«

AUT (Michael Sieb): »Das ist dann wieder ein Nachhaltigkeitsproblem, das machen Lehrer oft ein paar Jahre lang und sagen dann, jetzt kann und mag ich nicht mehr, weil es dann halt doch irgendwann mal einen möglichen Ressourcenkonflikt mit der eigenen Familie, Frau, wem auch immer gibt, ja!«

AUT (Andreas Bellony): »Förderlich wäre, wenn in jeder Schule ein gewisser Pool an Stunden wäre, um aus diesem Stunden für Robotik nehmen zu können.« Best-Practice-Anregungen aus Ihrem Land?

AUT (Michael Sieb): »In Tirol ist es in den letzten 10 Jahren, bevor ich es gemacht hab, ein Wettbewerb mehr oder weniger hinter verschlossenen Türen gewesen, es sind halt die Teams da gewesen und vielleicht ein paar Eltern und das war’s. Ich habe versucht, den Wettbewerb zu öffnen auch für Besucher, um einfach diesen Virus zu verbreiten, den Geist zu verbreiten und gleichzeitig das kombinieren mit einem Ausstellungsbereich, in dem Jugendliche, die schon an MINT interessiert sind, Möglichkeiten aufgezeigt kriegen, wohin kann die Reise weiter gehen? Ich habe voriges Jahr alle Tiroler Universitäten und alle Fachhochschulen in Tirol eingeladen, ebenso Firmen, die Mechatronik-Lehrlinge ausbilden, um die ganze Bandbreite an Möglichkeiten aufzuzeigen: ’hier, Du interessierst Dich jetzt für dies, was können mögliche weitere Stufen in einer technischen oder techniknahen Karriere für Dich sein?’«

AUT (Andreas Bellony): »Jede Schule erhält pro Schüler ein Budget für Schulbücher von der Schulbuchaktion…Besonderheit in Österreich: sollte nicht das ganze Geld für Schulbücher ausgegeben werden, steht der Restbetrag für Unterrichtsmittel eigener Wahl 26 (UMeW) der Schule zur Verfügung. Seit Jänner 2013 dürfen LEGO-MINDSTORMS-Roboter über diese Schiene finanziert werden. Wir haben so heuer im Jänner 2014 sechs EV3 Roboterbaukästen finanziert.«

6.2.13  Ihre Kritik an FLL und ihre Visionen

Was würden Sie gerne verändern am FLL Wettbewerb?27

AUT (Michael Sieb): »Ich kann Ihnen sagen, was ich anders MACHE: Ich finde es zum Beispiel immer ganz schade, dass diese Forschungspräsentation hinter verschlossenen Türen stattfindet und ich hab’s eingeführt, – und das machen paar Andere auch, nicht alle, aber ein paar gibt’s – müsste man ‘rumfragen, wer das noch macht – aber ich mach es so, dass die, je nachdem drei oder vier besten Forschungspräsentationen aus der Vorrunde, dann noch mal ihre Forschungspräsentation vorm Zwischen-Finale auf der Bühne präsentieren,…also auf der Bühne vor großem Auditorium …und da wird dann erst die endgültige Reihenfolge eins-zwei-drei oder eins-zwei-drei-vier festgelegt. Weil die da extrem viel Zeit reinstecken und ich das ganz schade finde, wenn diese tolle Leistung verloren geht, und gleichzeitig das auch wieder Motivation darstellt für Teams, die noch nicht auf dem Niveau sind, das die mal so ein Best-Practice-Beispiel kriegen, was ist da alles möglich, ja, wohin kann die Reise gehen!«

D (Winfried Schmitz): Die Ausweitung des Zeitrahmens von Veröffentlichung bis zu den Wettbewerben ist verlängert worden, was ich als negativ ansehe, folgende Gründe:

An der Rangfolge ändert sich nichts, der Lernerfolg ist nur um Nuancen größer, aber der Aufwand durch Betreuer und Teilnehmer ist unverhältnismäßig gewachsen.

AUT (Andreas Bellony): »Die Altersgrenze ist derzeit 16 Jahre. In Amerika28 ist die Grenze bei 14 Jahren. In Österreich ist durch diese Regelung ein HTL Schüler in der 3. Klasse berechtigt am Wettbewerb teilzunehmen. Diese Schüler haben drei Jahre mehr an Erfahrung als unsere Sekundarstufe 1 (Hauptschule, Neue Mittelschule, Gymnasium Unterstufe). Es gibt schon Regionen in Österreich, in denen nur mehr die HTLs gewinnen. Für die Zukunft wäre ein Höchstalter von 14 oder 15 Jahren wünschenswert.«

D (Winfried Schmitz): Teamspiel würde ich ersetzen durch eine Live-Challenge: eine einfache Aufgabe, die mit einem einfache Roboter, den man umbauen darf und programmieren muss, und dann innerhalb einer halben Stunde gelöst werden muss.

AUT (Michael Sieb): »Was es zumindest bei den Finals gegeben hat die letzten zwei Male, wo ich dabei war, so ein Live-Challenge! Wo die Teams also eine Aufgabe gestellt kriegen, die sie nicht kennen und innerhalb von 30 Minuten lösen müssen, weil da natürlich der Einfluss vom Coach komplett eliminiert ist, der darf nicht einmal im Raum sein. Wo man sehr gut sieht, was haben die Teams wirklich d’rauf, wie interagieren sie untereinander, und es gibt Überlegungen, ob man diesen Wettbewerb statt der Teamwertung macht – also ist natürlich ein Zeitproblem, FLL, wenn ich was zusätzlich mach’, alles an einem Tag unterzubringen, ist schwierig, aber man sieht sehr, sehr gut, wie gehen sie mit Druck um, wie gehen sie mit Problemen um, wie wird eine Lösung entschieden, autokratisch, monokratisch, diskutieren die das im Team? Das heißt, da lernt man extrem viel über Teams und über Teamstruktur, wie sie zusammen arbeiten, wer dann wirklich der ist, der programmiert und ‘nen Plan hat, ob das nur einer ist oder ob das mehrere sind – also Live Challenge ist ganz was Tolles, ist sicher was, was Potential hat für die Zukunft!«

CH (Christian Lonsky): »In Pamplona…wurde es so gemacht, dass eine Jury die Forschungspräsentation und anschließend direkt das Teamwork angehört hat und da gab es nicht zwei verschiedene Jurys! Und die wurden zusammen gefasst. Das finde ich als ersten Schritt schon mal sinnvoller, dass man die Bewertung vom Teamwork direkt verknüpft mit der Bewertung der Forschungspräsentation…. Das ist sinnvoll, weil das gehört zusammen, da kommt’s dann auch raus, ob eigentlich das Team gut zusammen gearbeitet hat. Das ist ja auch etwas, was ich bei Regionalwettbewerben schon gesehen habe: Teams führen dann einfach sehr gut das aus, was Erwachsene, für sie entwickelt haben. Also wenn jetzt die Erwachsenen zum Beispiel die Forschungspräsentation schreiben, dann müssen die Jungen nur noch das vortragen, was sich der Coach ausgedacht hat. Das kommt dann einfach besser ‘raus, wenn das verknüpft wird, Teamwork und Forschungspräsentation.«

D (Winfried Schmitz): Zeitliche Überschneidung mit RoboCup – im wesentlichen mein Problem, da ich beide Wettbewerbe mitorganisiere und Teams betreue - und beide Wettbewerbe haben ihre eigenen Reize, die ich nicht missen möchte.

AUT (Andreas Bellony): »Es gibt jetzt die neue Regelung von FLL für heuer, dass ab drei Leute man ein Team bilden kann, das finde ich jetzt für das Teammäßige nicht gut!«

Wenn Sie über den Schulalltags-Tellerrand schauen, was wünschen Sie sich und der FLL?

D (Thomas Madeya): »Ich glaube, ideal ist es zu sagen, wir machen so was wie FLL fächerübergreifend, also mindestens mal der Forschungsauftrag, der geht ja in aller Regel in so Fächer rein wie Biologie, Chemie, wie Soziologie, solche Dinge, ist ja dann gar nicht Hardcore-Informatik! Wohl möglich ist es dann ein anderer Lehrer, der überhaupt nicht so tief in der Programmierung, Mechanik drinsteckt, aber trotzdem durchaus Forschergeist hat und dann auch den anderen naturwissenschaftlichen Fächern auch seine Zeit einbringen kann.«

AUT (Andreas Bellony): »Wir haben den Schwerpunkt, der nicht Robotik heißt, sondern der Schwerpunkt bei uns heißt BioTeC – Biologie, Technik und das letzte ’C’ steht für Computer – dazu gibt’s auch eine eigene Webseite, die heißt www.BioTeC.tsn.at – und wir schau’n, dass die Schüler eben nicht nur technisch unterrichtet werden, sondern auch biologisch, so in der Richtung Bionik, und das war der Ursprung von dem Schwerpunkt, der sich halt zur Zeit sehr in die Robotik hin orientiert, aber es wird zur Hälfte immer noch Biologie unterrichtet und die andere Hälfte, die ist nur Robotik!«

CH (Christian Lonsky): »Wie kriegt man Teams? Wir merken immer mehr, eine gute Mischung aus Schulteams, aus Begabtenteams und aus Firmenteams, das wäre eigentlich unser Ziel.«

AUT (Andreas Bellony): »Wir sind offen für alles, ich habe leider noch nie ein gehandicaptes Kind dabei gehabt! Aber Ausländer haben wir drinnen, wir haben türkisch-stämmige Kinder immer wieder in unseren Teams, weil wir in Telfs sehr stark ausländerlastig sind.«

6.3  FLL – Best-Practice: aus Sicht von jugendlichen Teilnehmern

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Abbildung 6.11: Ein Team steht Rede und Antwort zum Roboterdesign. [27]

Im Folgenden werden die qualitativen Interviews mit jungen, ehemals aktiven TeilnehmerInnen aus Deutschland und der Schweiz wiedergegeben. Alle erhielten dieselben Fragen, zwei beantworteten sie schriftlich, zwei Interviews wurden am Telefon aufgezeichnet und wortgetreu transkribiert. Zunächst werden die InterviewpartnerInnen vorgestellt. Danach werden ihre Erfahrungen als Teilnehmerinnen und Teilnehmer, als Jurorinnen und Juroren oder als Betreuer und Betreuerinnen jüngerer FLL Teams an ihrer Schule – gemäß den folgenden Themenaspekten – geordnet und in wortgetreu wiedergegeben Originalton-Collagen strukturiert.

6.3.1  Vorstellung der interviewten FLL Aktiven

Florian Eßer – Jg. 1987
Aktiver Teilnehmer und »Leader« des FLL Teams 2002 und 2003 seiner Schule, der CJD Christophorusschule Königswinter bei Bonn, Deutschland. Er und sein Team feierten schon früh große Erfolge: im November 2002 ein 2. Platz im Robot-Game beim Regionalwettbewerb der FIRST® LEGO® League in Frankfurt. Ein 6. Platz in der Gesamtwertung bei den Deutschen Meisterschaften in Berlin. Ein Jahr darauf, im November/Dezember 2003, der 1. Platz im Robot-Game von FLL beim Regional-Wettbewerb in Frankfurt, sowie der 2. Platz im Robot-Game von FLL beim Zentraleuropäischen Finale im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR in Köln-Porz-Wahn. Bis zu seinem Abitur 2006 hat er jüngere Teams im RoboCup Junior an seiner Schule mitbetreut. Er war erfolgreich im RoboCup, Höhepunkt war die WM-Teilnahme 2006 in Bremen. Es folgte sein Studium Maschinenbau an der RWTH Aachen. Während des Studiums war er mehrfach als Juror/Schiedsrichter an FLL Wettbewerben in Aachen und Königswinter beteiligt. Aktuell promoviert Florian Eßer an der RWTH Aachen.29

Sylvia Schmitz – Jg. 1993
Ihr Einstieg: Teilnehmerin an FLL 2003 als 10 Jährige – zusammen mit dem »großen« Bruder – und machte weiter mit FLL 2004 und 2005, im Team »Adelhitec« ihrer Schule, dem Sankt-Adelheid-Gymnasium in Bonn, einer reinen Mädchenschule. Mit ihrem Team »Adelhitec« schaffte sie es bis zum Open European Championship in Eindhoven. Sylvia Schmitz wurde dann selber Betreuerin von FLL Nachwuchsteams an ihrer Schule. Als aktive Teilnehmerin machte sie im RoboCup weiter, in einem reinen Mädchenteam, das 2011 Deutscher Meister im Soccer wurde und damit als erstes reines Mädchen-Team in Deutschland im Soccer den Meistertitel errang. 2011 wurde ihr Team mit ihr auch noch Vize-Weltmeister im Soccer bei der Weltmeisterschaft in Istanbul. Aktuell studiert sie Elektrotechnik in Karlsruhe. Auch dort ist sie aktiv: als Sprecherin der Hochschulgruppen des VDE und von Cusanus, sowie als Leiterin von Roboter-Kursen für Grundschüler im Rahmen eines Projektes der Hector-Stiftung zur Förderung von hochbegabten Schülern in Baden-Württemberg.
Francesca Gieruć – Jg. 1995
Die Westschweizerin aus Lausanne gründete ihr eigenes FLL Team, unterstützt von ihrem Vater, außerhalb ihrer Schule. Da war sie neun Jahre alt. Aktiv blieb sie bei FLL, bis sie 16 Jahre alt war, seitdem macht sie als Jurorin weiter wie auch als Referee in anderen Robotik-Wettbewerben.30

Marilou Beyeler – Jg. 1996
Die Westschweizerin aus Lausanne stieg bei ihrer Schulkollegin Francesca Gieruć ins Team ein und war bei ihr im Bastelkeller zu Hause sehr aktiv als »Mechanikerin«. Während zwei Saisons konstruierte sie maßgebend die Roboter, nahm jedoch nur an zwei regionalen Wettkämpfen in Lausanne teil. 2014 machte die Gymnasiastin am Gymnase du Bugnon ihr Abitur. Ihr Berufswunsch ist noch offen, jedenfalls »etwas in der Richtung Informatik«. Entsprechend lautet Ihre Studienrichtung an der technisch-naturwissenschaftlich ausgerichteten Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETHZ): Informatik.

6.3.2  Ihr FLL Beginn

Wie alles begann

Wie alt waren Sie zu Beginn, wie lange dauerte Ihre FLL Aktivität?

CH (Francesca Gieruć): Neun, als ich zuerst die Idee hatte, ein Team zu gründen, zehn, als ich in meinem ersten Wettkampf teilnahm, sechzehn im letzten Wettkampf.…Dann habe ich an verschiedenen Wettkämpfen als Jury-Mitglied…teilgenommen.

CH (Marilou Beyeler): »Vierzehn bis sechzehn.«

D (Sylvia Schmitz): »Es waren vier Jahre…, ab der fünften Klasse. Ja, ich glaub, ich war 14 oder 15, als ich ausgestiegen bin, dann sind wir halt zum RoboCup, also zu einem anderen Wettbewerb übergegangen und haben uns neue Herausforderungen gesucht.«

D (Florian Eßer): Als aktiver Teilnehmer von 2002 bis etwa 2004, danach ist unser Team zu RoboCup Junior gewechselt. Bis zum Abitur 2006 habe ich dann allerdings die jüngeren Teams mitbetreut, im Laufe des Studiums war ich einige Male als Juror/Schiedsrichter an FLL Wettbewerben in Aachen und Königswinter beteiligt.

Welche Schlüsselerlebnisse brachten Sie zur Robotik und zur FLL?

CH (Francesca Gieruć): Ich habe eine Konferenz über Robotik in einem Museum gehört, sie haben FLL Wettkämpfe vorgestellt, und ich habe sofort mein’ Vater gefragt, ob er Coach für meinen Team sein wollte. Er hat ja gesagt, weil er dachte, dass ich nie vier andere Kinder finden würde, die teilnehmen wollten – das habe ich nur viel später erfahren.

CH (Marilou Beyeler): »Es gab eigentlich in der Schule auch so etwas, in unserer Schule gab es auch so Informatik-Unterricht, und das hat mich interessiert und ich bin gegangen und eigentlich war das überhaupt nichts! Also wir hatten schon die gleichen Roboter, aber wir machten eigentlich nichts! Es war wirklich nicht spannend – und dann war sie31 da und sie hat gesagt: Ja, ich mache das eigentlich jede Woche und Du könntest mal kommen, und dann habe ich einfach dort weitergemacht!«

D (Florian Eßer): Ich war durch meinen LEGO® MINDSTORMS® Kasten vorher bereits an der Robotik interessiert und hatte in der 9. Klasse auch ein Schülerpraktikum bei Fraunhofer AIS – damals Frau Müllerburg32 absolviert.

D (Sylvia Schmitz): »Ich denke, dass kam bei mir wirklich schon ganz stark von meiner Familie aus, also gerade von meinem Vater, und…weil mein Bruder halt ein Team hatte…. Eigentlich, als ich dann mit auf dem Wettbewerb war…– wo mein Bruder schon teilgenommen hat – …und durfte dann auch selber den Roboter da steuern und ich fand’ es einfach ganz faszinierend da, das am PC zu programmieren und das der Roboter das dann auch wirklich macht! Man hatte auch die Möglichkeit, das alles auszuprobieren!«

Hatten Sie als Kind schon mit LEGO®  gespielt?

CH (Marilou Beyeler): »Ja, extrem viel!«

D (Florian Eßer): Zu Hause habe ich viel mit LEGO® Technik gespielt und war vom damals gerade erschienenen LEGO® MINDSTORMS® begeistert.

D (Sylvia Schmitz): »Dann hat mein Bruder halt irgendwann mal zu einem Geburtstag oder Weihnachten mal einen Roboter geschenkt bekommen und dann haben wir zu zweit dann auch ganz viel daran ‘rumgespielt.«

Wie ging es dann los mit Ihrem FLL Team?

CH (Francesca Gieruć): Ich habe im Team ROBOteens teilgenommen. Wir haben nicht im Rahmen der Schule teilgenommen, wir waren ein privates Team, das ich, als ich neun war, gegründet habe.

CH (Marilou Beyeler): »Der Vater von Francisca, eben, der hat das alles gemacht und…war ich Kollegin mit ihr in der Schule und ich bin einmal so vorbeigekommen und habe das spannend gefunden.«

D (Florian Eßer): An der Schule gab es eine noch recht junge Robotik-AG, der ich dann beigetreten bin. Die Idee zur Teilnahme an FLL kam vom betreuenden Lehrer, Winfried Schmitz, und war Hauptinhalt und Ziel der AG.

D (Sylvia Schmitz): »Also ich hab’ mal in der Grundschule an einem Nachmittag bei so ‘nem Roberta-Kurs teilgenommen, aber wirklich angefangen hab ich dann mit FIRST LEGO League sofort…. Bei uns kam das von den Schülern eigentlich selber: es gab ein paar Mädchen, die hatten das Jahr davor auch schon mal teilgenommen, die haben, glaub ich, an einem Kurs in der Fachhochschule33 , die das angeboten hat, haben die teilgenommen und haben gesagt, okay, das wollen wir weiter machen und wir kannten uns auch ganz gut, ich habe noch ein paar Freundinnen von mir auch dazu begeistert, dass sie sich das doch auch mal anschauen sollen. Und dann haben sich auch noch zwei Väter bereit erklärt: ’okay, wir coachen die Mädels!’ Dann sind wir halt quasi als Gruppe auf unsere Schule zugegangen und haben erzählt, dass wir vorhaben, dort teilzunehmen, ob die Schule uns da denn unterstützen würde? Und da war dann auch ein Lehrer da, der sofort gesagt hat: ’Ja klar, finde ich super! Ich guck mir das mal an!’ Er war dann aber mehr, also hat so die Koordination im Hintergrund gemacht. Das war eigentlich genau richtig, wir hatten ja auch zwei Väter, eben, die uns da inhaltlich gecoacht haben und dann aber diesen Ansprechpartner in der Schule zu haben, war natürlich auch ganz wichtig …also jemanden zu haben, der sagt: ’okay, ich organisiere, dass ihr einen Raum habt, ich organisiere zum Beispiel auch, dass, wenn Ihr einen Wettbewerb habt, und vor dem Wettbewerb noch etwas Zeit habt, mal vom Unterricht befreit werdet!’ Also so, dass die Rahmenbedingungen da geschaffen wurden, wir haben das auch gemerkt, wir hatten halt, als ich dann in der siebten Klasse war, also paar Jahre später, ist dieser Lehrer, der das gemacht hat, hat die Schule gewechselt und da haben wir schon gemerkt, da ist uns halt ein großer Teil weggebrochen und von der Schule hatten wir nur noch wenig Unterstützung und es war dann erst mal schwierig, da jemand zu finden.«

6.3.3  Rollen im Team

Rollenverteilung

In welcher/welchen Rollen waren Sie aktiv?

CH (Francesca Gieruć): In alle Rollen. Ich bin für sieben Jahren im Team gewesen, und habe während meiste Jahre sehr viel arbeitet, weil alle Meetings bei mir zu Hause statt fanden. Ich hatte alles zu Verfügung, was ich brauchte, um in meine eigene Zeit zu arbeiten.

D (Florian Eßer): Im Laufe meiner aktiven Zeit habe ich letztendlich in alle Rollen mal ‘reingespürt, am wohlsten gefühlt – und am meisten gemacht – habe ich aber als Programmierer und Konstrukteur.

D (Sylvia Schmitz): »Bei uns war’s halt so, ich komme halt von ‘ner Mädchenschule, deswegen waren wir auch ein komplettes Mädchenteam…. Ich war eigentlich immer so die Programmiererin beim Roboter, und die Konstruktionen und so was hat immer wer ander’s übernommen, aber ich fand das halt dann toll, die Programme zu schreiben. Ja und das habe ich dann auch am Stärksten gemacht und bei der FIRST LEGO League dann auch immer selber am Tisch gestanden und den Roboter gestartet.…Das war schon so meine Lieblingsrolle.«

CH (Marilou Beyeler): »Ich habe mehr…so alles gebaut, und ich hatte fast keine Ahnung zum Programmieren und so, und ich hab mehr so ja, so Méchanique, und geschaut, wie man das könnte machen,…konstruiert.«

Wie wurden die Rollen verteilt, wie würden Sie sie aus heutiger Sicht bilden?

CH (Francesca Gieruć): Wir (ROBOteens) benutzten eine klassische Struktur, die gut funktioniert – oder funktionieren kann. Wir hatten drei Gruppen: Programmierung, Konstruktion, und Präsentation (alle TeilnehmerInnen sprachen am Wettkampf). Jede Gruppe hatte einen Leiter, jemand, der verantwortlich war für die Arbeit der Gruppe, Verteilung der Arbeit, Motivierung.…aber alle TeilnehmerInnen mussten wissen, wie alle ’Missionen’ gingen…. Ich glaube aber, es ist wichtig zu sagen, dass jedes Team seine eigene Arbeitsweise finden muss.

D (Sylvia Schmitz): »Wir hatten in den ersten Wochen so quasi eine Findungsphase, würde ich mal sagen, wo wir ausprobiert haben und irgendwann hat dann jeder das gemacht, was ihm am Meisten lag, was ihm am meisten Spaß gemacht hat…. Es ist wichtig, dass jeder auch in alle Rollen so ‘n bisschen herein schnuppert, also gerade, wenn es so um die Präsentation ging, war es bei uns eigentlich immer so, dass auch während der Präsentation alle beteiligt sein sollten und jeder was sagen sollte, dass jeder auch einen Überblick hatte, …und das hat auch immer ganz gut geklappt bei uns im Team!«

D (Florian Eßer): Eine feste Rolleneinteilung würde ich vielleicht nicht von vornherein vorgeben, sondern das Team eher im Laufe des Arbeitsprozesses verschiedene ’Hauptverantwortliche’ für die einzelnen Bereiche, je nach Interessenslage, herausarbeiten lassen. Gut finde ich, wenn jedes Teammitglied zumindest grob über alle Bereiche Bescheid weiß, aber es muss sich z.B. nicht jeder tief in die Programmierung einfuchsen oder der geborene Forschungspräsentator sein.

CH (Francesca Gieruć): Wenn möglich, jedes Mitglied sollte eine Rolle – außer FahrerIn – übernehmen. Alle Teammitglieder sollten aber mindestens ungefähr wissen, was die andere Gruppen machen, zum Beispiel, wie Programmen funktionieren oder wieso der Roboter so oder so gebaut ist. Eine gute Verteilung der Arbeit ist sehr wichtig! Alle TeilnehmerInnen sollten immer etwas zu tun haben, aber nicht unmögliche Arbeitsmenge!

Wie wurden die Rollen gelebt im Team?

D (Sylvia Schmitz): »Bei uns war es immer ganz stark so, dass wir uns erst mal wirklich auf das Robot-Game konzentriert haben, dass der Roboter läuft und …die Präsentation immer bisschen so nebenher lief. Da haben wir dann immer geguckt: ’okay, ach ja, hier müssen wir auch noch machen!’…Es gab ja auch nie jemanden, der das alleine gemacht hat, sondern meistens waren das dann so zwei Leute, die dann gesagt haben: ’okay, wenn ihr hier gerade am Programmieren seid, wir setzen uns dann an die Präsentation!’«

CH (Marilou Beyeler): »Einer konnte richtig programmieren, der hat das immer gemacht. Dann gab es andere, die das auch noch gut konnten, die machten auch mit und sonst machten eigentlich alle ein bisschen alles.«

D (Sylvia Schmitz): »Man hat ja auch nur einen Roboter, an dem man arbeiten kann, von daher arbeitet man dann doch immer sehr viel ganz eng zusammen, also das heißt, das halt alle immer mit gucken, das einer jetzt schnell das Programm überträgt, der Nächste probiert es dann aus und sagt demjenigen: ’okay, hier ändere mal das und das!’«

D (Sylvia Schmitz): »Also ich hatte immer die Übersicht über die Programme, was ist da gerade drauf? Konnte halt auch wirklich jedes Programm erklären und es war schon so, dass auch die anderen die Programme kannten, aber wenn es irgendwelche Fragen gab, gingen die dann immer an mich und so war das auch mit der Konstruktion mit irgendwelchen Aufsätzen, es gab natürlich die Leute, die immer wussten, wann wo dran gebaut wird, und wenn man da das irgendwie weiter entwickeln wollte, ist man immer auf die zugekommen und hat gefragt: ’ja, ich hab jetzt hier noch was gebaut, wo soll das denn jetzt dran?’ und …für unser Team hat es auf jeden Fall immer gut geklappt.«

CH (Francesca Gieruć): Alle Team-Mitglieder versuchten, den Roboter zu ’fahren’, und die zwei Besten waren als ’Experten’ benannt. Sie trainierten mehr als die anderen.

6.3.4  Gender Diversity

FLL für Mädchen und Jungen?

Beteiligungsrate von Mädchen an FLL?

D (Sylvia Schmitz): »Also in den ersten Jahren waren wir auf jeden Fall die totalen Exoten, also ich glaub, also reine Mädchenteams gab es so gut wie gar nicht. Man hat manchmal paar Teams getroffen, wo halt so ein paar Mädchen drin waren.«

CH (Francesca Gieruć): Vielleicht etwa zwanzig Prozent Mädchen. Das hängt aber vom Alter ab. Am Anfang gab es in meinem Team drei Mädchen und drei Jungen. Im nächsten Jahr gab es sechs Mädchen und drei Jungen. Dann waren es zwei Mädchen und vier Jungen. Im Jahren 2008-2011 war ich das einige Mädchen des Teams.

D (Florian Eßer): Wir waren damals noch ein reines Jungs-Team, in den späteren Teams kamen dann auch Mädchen dazu. Bei späteren Wettbewerben hatte ich den Eindruck, dass zunehmend mehr Mädchen teilnahmen, auffallend häufig allerdings nicht in gemischten Gruppen, sondern als reine Mädchenteams.

D (Sylvia Schmitz): »…und ein paar Jahre später, da gab es schon ein paar mehr Mädchenteams, also auch reine Mädchenteams. Es ist schon mehr geworden, aber es ist natürlich immer noch eine klare Jungendomäne und das hat man auch in allen anderen Wettbewerben so gesehen oder, ich meine, jetzt auch in meinem Studiengang hat sich das nicht geändert.«

Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen in der Selbstwahrnehmung? CH (Francesca Gieruć): Was ich viel gesehen habe waren Mädchen, die nicht programmieren wollten, weil sie dachten, dass es zu schwierig war. Das gab es aber auch mit einige Jungen.

CH (Marilou Beyeler): »Einer konnte richtig programmieren,…. Dann gab es andere, die das auch noch gut konnten,…außer ich, weil ich war ein bisschen später gekommen und ich war ein bisschen weniger gut und hatte keine Ahnung von Programmieren, deshalb habe ich so mehr konstruiert.…Wir machten, mit Francesca, haben wir viel mehr Stunden verbracht, weil ich wohne nicht weit weg von ihr und ich ging so oft zu ihr zum Bauen und weitermachen, weil sonst hätten wir keine Zeit gehabt, und deshalb habe ich den Eindruck, wir haben dann sehr viel gemacht und sehr viel gebaut und dann sind immer die anderen gekommen und haben mehr so programmiert für was wir gebaut hatten und manchmal unsere Sachen noch ein bisschen verbessert. Aber für den Wettbewerb, wo ich teilgenommen habe, habe ich den Eindruck, dass ich und Francesca ein bisschen mehr so Grundarbeit gegeben haben, und das sie dann nur so programmiert haben. Es war schon eine riesige Arbeit, aber eigentlich hatten sie so einen Roboter, wo fast schon programmiert war für…FIRST LEGO League und es gab nicht so viel mehr zu machen!«

Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen hinsichtlich Aktivität und Rollenvorlieben?

D (Sylvia Schmitz): »Also in einigen Teams war es so, wie man sich das vorstellt: die Mädchen haben dann halt die Präsentation gemacht und sich wenig auch selber mit dem Roboter auseinander gesetzt. Aber es gab auch Teams, aber man muss wirklich sagen, nicht viele Teams, wo die Mädchen auch die …beste Übersicht über den Roboter hatten, aber das, würde ich sagen, war schon die Minderheit.«

CH (Francesca Gieruć): Ich glaube, meiste Mädchen wollen lieber in Präsentationsvorbereitung aktiv teilnehmen, als in andere Rollen. Das taucht aber mehr auf in jüngere Kinder – es gibt auch wenige ältere Mädchen, die teilnehmen.

D (Florian Eßer): Bei anderen Teams habe ich beobachtet, dass häufig die Mädchen verstärkt für die Forschungspräsentation eingespannt waren.

6.3.5  Teambildung

Arbeiten im Team

Gendergemischte oder getrennte Teams?

D (Sylvia Schmitz): »Wenn man genug Leute hat, würde ich es auf jeden Fall immer so machen, das man ein reines Mädchenteam macht! Weil gerade in den Unterstufen oder so, glaube ich, dass viele Mädchen sich dann auch, wenn sie mit Jungs im Team sind, selber noch die Vorstellung haben: ’okay, ich lass die Jungs das mal machen, die können das viel besser!’ Wenn man jetzt aber in einem reinen Mädchenteam ist, dann ist klar, ’okay, wir kriegen das selber hin’, und dann probiert man das auch selber aus. Dann hat man einfach viel eher den Mut, da selber was zu machen und halt auch diese Rollen zu übernehmen, die man in einem gemischten Team eher den Jungs überlassen würde. Aber gerade so in den, so fünfte bis siebte Klasse in der Unterstufe, glaube ich, dass gerade viele Mädchen sagen: ’okay, nee, das kann ich nicht, und das will ich jetzt auch gar nicht so ausprobieren, wenn das irgendwer anders besser kann!’ Ich glaube, später, wenn man da ‘n bisschen mehr Selbstbewusstsein entwickelt hat, ist es überhaupt kein Problem mehr.«

D (Sylvia Schmitz): »Ich glaube, es ist sehr stark altersabhängig. Dann ist es halt auch immer, ja, ‘ne Sache, was man für ein Typ Mensch ist. Also ich glaube, dass es einem vielleicht später leichter fällt, wenn man schon Erfahrung gesammelt hat, und man merkt, man kann das und von sich selbst überzeugt ist, dann ist es auch super, in gemischten Teams zu arbeiten, wenn man dann sagt: ’okay, ich kann das genauso gut!’, sich da nicht mehr einschüchtern lässt, dann ist die Zusammenarbeit auf jeden Fall sinnvoll!«

Wie groß ist/war Ihr FLL Team?

D (Florian Eßer): Das erste Team – die erste AG-Besetzung – bestand aus sieben Mitgliedern. Wir waren die ersten unserer Schule, die an Robotik-Wettbewerben teilgenommen haben. Im Laufe der Zeit kamen immer mehr Leute dazu, die AG wurde größer, es wurden mehrere Teams gebildet, und schließlich die AG aufgrund des großen Andrangs auf mehrere Betreuer aufgeteilt.

CH (Francesca Gieruć): Das Team hat mit sechs Kinder angefangen, und dann hat die Anzahl TeilnehmerInnen zwischen fünf und neun geschwankt.

D (Sylvia Schmitz): »Wir waren, glaub’ ich, fünf oder sechs Leute. Und dann haben sich danach noch ein paar gefunden, so dass wir im ersten Jahr, glaub’ ich, wirklich mit zehn Leuten ein Team gebildet haben. Also zehn Leute war natürlich ziemlich viel! Wir haben in den ersten Wochen, wo auch die Aufgabenstellung noch gar nicht draußen war, wo es am Anfang darum ging, den Roboter kennen zu lernen, haben wir erst mal zwei Teams gebildet und gesagt: ’okay, wir bauen jetzt beide mal einen Roboter und schauen uns das Ganze mal an.’ Als es dann in die konkrete Vorbereitungsphase ging, war es schon so, dass es ein Team gab, was sich dann hauptsächlich um die Präsentation gekümmert hat, und ein Team, was sich hauptsächlich um den Roboter gekümmert hat, und da wurde auch noch mal so ein bisschen aufgeteilt: ’okay, hier Programmierung liegt bei Euch und Konstruktion macht wer anders!’«

Optimale Teamgrößen?

D (Sylvia Schmitz): »In den Jahren danach waren wir weniger Leute, wir waren so fünf bis sechs. Und ich glaub’ auch, dass das viel, viel besser ist, weil bei zehn Leuten hat man schon gemerkt, also gut, auch wenn mal jeder so seine Rolle hat, es gibt doch einfach viele, die dann doch eigentlich gar nichts machen und dann auch nicht so selber die Motivation haben, zu sagen: ’okay, ich übernehme jetzt das und das!’ Also da gab’s dann wirklich Leute, die nicht viel gemacht haben und nur so da ‘rum saßen. Und bei fünf, sechs Leuten, da hat wirklich jeder was zu tun und da kann jeder mithelfen und da fühlt sich auch jeder ins Team integriert, weil er eine Aufgabe hat und weiß, dass es wichtig ist, dass er da mitarbeitet.«

D (Florian Eßer): Für FLL nicht mehr als 5-7 Leute. Ab einer gewissen Teamgröße wird es schwierig, alle Teilnehmenden gleichermaßen mit einzubinden.

D (Sylvia Schmitz): »Wenn man so fünf, sechs Leute ist, da geht es eigentlich schon gut, dass jeder auch mal in jede Disziplin reinschnuppert.«

CH (Francesca Gieruć): Es hängt wirklich davon ab, ob die TeilnehmerInnen arbeiten oder nicht. Wir haben ein sehr gutes Jahr mit neun TeilnehmerInnen gehabt, und auch gute Jahre mit fünf. Die Arbeitsweise ist verschieden, wenn ein Team groß ist: es gibt mehr Arbeitsteilung, ein Teilnehmer kann zum Beispiel nicht mehrere Rolle haben. Ein Team mit fünf TeilnehmerInnen kann schwierig sein zu steuern - wenn die TeilnehmerInnen nicht erfahren sein – weil jedes Kind ziemlich viel Arbeit liefern muss. Etwa sechs oder sieben Kinder ist wahrscheinlich am einfachsten.

6.3.6  FLL AG verglichen mit MINT-Regelunterricht

FLL und MINT-Unterricht

Was unterscheidet eine FLL AG vom Unterricht in Physik, Mathematik oder Informatik?

CH (Marilou Beyeler): »Doch, es ist unterschiedlich, weil man hat Objekte und irgendwie muss man auch so ein Problem lösen, es ist auch mathematisch so irgendwie, nur es macht viel Spaß, weil …man hat mehr den Eindruck, dass man spielt, und nicht arbeitet! Man ist mit Kollegen und man arbeitet zusammen, es ist nicht so jeder für sich selbst, sondern man hat ein ’Goal’ und man will es erreichen und alle müssen etwas bringen, alle müssen so Ideen bringen und zusammensitzen und es ist auch was Größeres als einfach nur so eine Aufgabe zu lösen, das dauert dann auch lang, bis man etwas Gutes hat und man weiß dann immer noch nicht, ob das perfekt ist und ob das klappen wird.«

D (Sylvia Schmitz): »Ich glaube, gerade das Schöne ist, wenn man es außerhalb des Unterrichts macht, entsteht ‘n ganz anderer Ehrgeiz, da wirklich was zu machen und dann geht es nämlich nicht darum, ’okay, ich muss meinem Lehrer jetzt zeigen, dass ich das geschafft habe’, sondern das ist dann einfach der Anreiz, der von einem selber kommt, sich selber einfach was zu beweisen und dann halt auch den Wettbewerb als Ziel vor Augen zu haben, wo man dann wirklich Zeit ‘rein investiert, auch von seiner Freizeit, und nicht halt im Unterricht da sitzt und auf die Uhr guckt, wann ist denn die Zeit zu Ende! Ich glaube, wenn so was als AG angeboten wird, steckt man da einfach viel mehr Herzblut rein als wenn einem ’okay, Du musst das jetzt im Unterricht machen!’«

D (Florian Eßer): Freies und selbstbestimmtes Arbeiten in kleinen Gruppen, ein zusammenhängendes Projekt, dass über das komplette Schulhalbjahr lief und bei dem wir mit Herzblut dabei waren, Praxisnähe und selbstständiges Ausprobieren.

War Ihr FLL Engagement förderlich für Sie im MINT-Regelunterricht?

CH (Francesca Gieruć): Ich habe auch während Präsentationsvorbereitung verschiedene Kenntnisse erworben, die nützlich gewesen sind.

D (Sylvia Schmitz): »Im Physikunterricht konnte man ab und zu doch was einfließen lassen, gerade durch diese Forschungspräsentation, die man bei der FIRST LEGO League gemacht hat. Zum Beispiel haben wir uns einmal mit Photovoltaik-Anlagen beschäftigt bei der FIRST LEGO League, und so was kommt dann natürlich auch im Physikunterricht wieder, und dann hat man schon dieses Hintergrundwissen und erinnert sich daran: ’ah, da hab ich doch mal bei der FIRST LEGO League was drüber gelernt!’ Und das sind auch so Sachen, die im Gedächtnis sind und die man dann auch in den Unterricht einbringen kann, auf jeden Fall!«

CH (Francesca Gieruć): Ja! Vor allem habe ich Programmierungslogik gelernt. Auch wenn die Sprache und die Schnittstelle sehr simpel sind, sie helfen eine Denkweise zu assimilieren, die in alle Programmierungssprachen auftaucht.

D (Sylvia Schmitz): »Ich glaube, gerade beim Programmieren entwickelt man gerade so eine Art logisches Verständnis! …man denkt jetzt als Schülerin, wenn man da irgendwas programmiert, jetzt nicht direkt an den Mathematikunterricht oder ’was habe ich denn hierüber im Mathematikunterricht gelernt?’ Also man hat keinen direkten Bezug, aber einfach dieses logische Denken, was gefördert wird, was man nachher auch auf jeden Fall in der Mathematik braucht.«

D (Sylvia Schmitz): »Ich glaube persönlich, dass es sowieso immer einen starken Zusammenhang gibt von Leuten, die an der FLL teilnehmen, die sind ja auch immer sehr naturwissenschaftlich begeistert und haben daher einfach schon so ein Grundinteresse an Mathe- und Physikunterricht. Aber ich weiß auch noch bei mir, so im Physikunterricht, so siebte, achte Klasse, hatte ich ja auch so gedacht, ja, fand ich jetzt auch nicht immer so spannend. Aber ich glaub, diese Begeisterung für Naturwissenschaften ist einfach da und gerade dann, wenn es auch wieder ‘n bisschen spannender wurde im Unterricht, dann hat man das schon gemerkt, dass man sich da wohl fühlt in dieser Disziplin.«

Was förderte Ihre Berufswahl mehr?

D (Florian Eßer): Durch FLL konnte ich dieses Interesse dann deutlich ausbauen und auch später im Rahmen der RoboCup-Junior-Teilnahmen auf Roboter mit selbstentworfener Elektronik und Steuerung etc. ausweiten. Als es dann an die Wahl eines Studienfachs ging, habe ich zwischen dem ’Dreieck Mechanik-Elektronik-Software’ geschwankt und mich schließlich für ein Maschinenbaustudium in Aachen entschieden. Inzwischen bin ich als Doktorand am Institut für Schienenfahrzeuge und meine Roboter wiegen 40 Tonnen.

Wäre so ein MINT-Angebot auch etwas für den Regelunterricht?

D (Sylvia Schmitz): »Ich glaube, gerade wenn man so was wie FLL im Unterricht anbietet, muss man das auch sehr frei gestalten. Also dass man den Schülern wirklich Raum lässt, auch selber was auszuprobieren, dass man vielleicht nicht alles direkt vorgekaut in kleinen Häppchen bekommt, sondern das man auch als Schüler die Möglichkeit hat, selber Lösungsstrategien zu entwickeln! Und dann entsteht da glaub ich auch viel mehr das Interesse dafür!«

6.3.7  Wie erlebten Sie Ihre Zeit bei FLL?

Eigene Eindrücke

Erlebten Sie Leistungsdruck und wie gingen Sie damit um?

D (Florian Eßer): Einen aufgeprägten Leistungsdruck ’Ihr müsst jetzt aber gewinnen!’ o.ä. von außerhalb des Teams oder seitens der Betreuung gab es aber nie. Nur den selbstgemachten…. Da ich Spaß an der Sache hatte, habe ich den allerdings nie als Belastung empfunden.

CH (Francesca Gieruć): Ja, es kam aber meist von mir selbst. Ich war immer ein bisschen perfektionistisch, und mag Herausforderungen.

D (Sylvia Schmitz): »Also man hat schon gemerkt, immer wenn es nah auf den Wettbewerb zuging, war es eigentlich immer der Ehrgeiz, der von uns selber als Teammitgliedern ausging, so: ’wir müssen das jetzt schaffen!’ Zum Beispiel in den Herbstferien, die waren ja immer kurz davor, haben wir uns immer in den Herbstferien getroffen oder dann auch kurz vor‘m Wettbewerb natürlich häufiger die Woche. Aber einen Leistungsdruck von außen hatten wir eigentlich gar nicht, also gut, unser Lehrer war ja nur Koordinator, von dem kam halt überhaupt kein Leistungsdruck, also, und auch die Väter, die waren dann doch immer sehr, sehr entspannt und wir waren dann schon immer selber sehr ehrgeizig und der einzige Leistungsdruck, den es gab, kam halt von uns selber! Von unseren eigenen Erwartungen!«

D (Florian Eßer): Dadurch, dass nach einer Phase des ’ach, wir haben ja noch ewig Zeit!’ plötzlich der Wettbewerb näher rückt, entstand natürlich zum Ende hin immer ein gewisser zeitlicher Druck. Da wir im Team Spaß an der Sache hatten, haben wir dann die ein- oder andere Überstunde und Letzte-Minute-Nachtschicht hingelegt.

War Fehlermachen erlaubt und lernfördernd?

D (Florian Eßer): Ja, auf jeden Fall! Uns wurde immer völlig freie Hand gelassen, was unsere Roboter usw. betraf. Immer noch gut in Erinnerung ist die Geschichte unserer allerersten FLL Teilnahme 2002: Nachdem wir uns wochenlang vorbereitet hatten und uns tolle Lösungen für unseren Roboter ausgedacht hatten, ging dann kurz vor dem Wettbewerb doch wieder einiges kaputt, die Software klappte nicht wie sie sollte, der Roboter hatte Probleme mit dem Geradeausfahren, und und und. Wir sind dann mit der Einstellung ’Dabei sein ist alles’ auf den Wettbewerb gefahren, auch um dann halt fürs nächste Jahr zu sehen, wie solch ein Wettbewerb überhaupt abläuft. Vor Ort mussten wir dann auch noch feststellen, dass wir Teile des Spielfelds immer falsch herum aufgebaut hatten, und dass wir die verbleibenden paar Punkte mit unserem Roboter wohl auch nicht mehr holen würden. Ich weiß nun nicht mehr, ob der Wettbewerb damals auch schon über mehrere Tage ging und wir es in einer Nacht-und-Nebelaktion in der Jugendherberge, oder aber direkt am Austragungsort gemacht haben, jedenfalls hatten wir dann ja nichts mehr zu verlieren und haben spontan einen neuen Einfachst-Roboter gebaut, der – kastenförmig und mit nur einem Motor – genau nur eines konnte: Geradeausfahren, vorwärts und rückwärts. Durch entsprechendes Timing in der Programmierung und geschicktes Ausrichten unseres Fahrers konnten wir mit dieser schnell zusammengeschusterten Einfachst-Lösung plötzlich einen Großteil der Punkte holen, ließen viele Teams mit technisch aufwändigeren, aber störanfälligen Lösungen hinter uns und erreichten schließlich völlig unerwartet, aber glücklich, den zweiten Platz des Frankfurter Regionalentscheids und durften zum Deutschlandfinale nach Berlin fahren!

D (Sylvia Schmitz): »Also bei uns war das so, wir haben das Programmieren vor allem wirklich sehr stark auch während der Wettbewerbsvorbereitung gelernt. Da hat man halt immer geguckt, ’okay, was kann ich da machen?’ und man hat alles an einem konkreten Problem gesehen, zum Beispiel: ’okay, der Roboter soll sich irgendwie orientieren können!’ – dann musste man halt selber auf die Idee kommen, selber diese Idee entwickeln, ’okay, wir könnten jetzt meinetwegen da einen Sensor anbauen, der soll irgendwas überprüfen’ und sich dann selber Gedanken zu machen, ’okay, wie kann ich das jetzt programmiertechnisch umsetzen?’ Man hatte so in den ersten Wochen die Basics gelernt, was für Möglichkeiten man hat, zum Beispiel ’so mache ich jetzt eine Schleife, und so mache ich einen Schalter!’ Und das dann selber zu kombinieren, hat einfach einen hohen Lerneffekt.«

CH (Francesca Gieruć): Fehler durften immer gemacht werden. Wir haben verschiedene ’große’ Fehler gemacht: zum Beispiel sind wichtige Teile des Roboters auseinander genommen worden, die noch nötig waren. Solche Situationen haben aber nie echten Groll verursacht. Wenn der Wettkampf nicht zu nah’ war, konnten wir ganz unabhängig arbeiten, um Fehler zu lösen. Diese Fähigkeit ist in Situationen wie der Live Challenge extrem wichtig.

D (Sylvia Schmitz): »So was hat man im Unterricht ja eigentlich überhaupt nicht und also gerade auch diese Teamarbeit zu lernen, das hat man dann doch gemerkt, man ist mit fünf Leuten in einer Gruppe und muss selbstständig gucken, das irgendwas funktioniert. Und wenn was nicht klappt, muss man halt weiter dran arbeiten, und sieht aber auch immer, wie man sich verbessert und kann dann auch immer ausprobieren und man kann halt auch Fehler machen. Daraus kann man auch wieder lernen und dann im nächsten Jahr wird alles anders gemacht.«

Was ist/war für Sie der motivierendste Anreiz an FLL?

CH (Marilou Beyeler): »Ich glaube, immer wenn man den Tisch bekommen hat, die Aufgabe, und alles neu war und wenn man das Problem so bekommen hat, da man eine Lösung finden musste! Ja, ganz am Anfang, und dann hat man so sehr viele Ideen und das ist das Spannendste! Und nachher merkt man, dass es eigentlich viel schwieriger ist, als man eigentlich meint. Bei mir ist es immer so, wenn man mir ein Problem stellt, dann will ich gerne so eine Lösung finden.«

D (Florian Eßer): Spätestens nachdem wir bei unserem allerersten Wettbewerb unerwartet erfolgreich abgeschnitten hatten, waren wir ’angefixt’ und wollten unsere Erfolge auch in den nächsten Jahren wiederholen. Größte ’Belohnung’ für unsere Arbeit war – neben den damals noch unglaublich tollen LEGO®-Pokalen(!!!) – auch die Besonderheit, als Schüler auf Wettbewerbe in ganz Deutschland fahren zu dürfen und dafür ggf. sogar aus dem laufenden Schulbetrieb freigestellt zu werden. Diese Reisen sind nach wie vor unvergesslich.

D (Sylvia Schmitz): »Auf jeden Fall die Möglichkeit, sich halt weiter zu qualifizieren und wir haben uns in den ersten drei Jahren jedes Mal für das Deutschland-Finale dann qualifiziert, und das war dann immer super, dann hatte man halt ‘ne Fahrt zum Finale hin, und das war immer total super und einmal waren wir dann, haben wir es im Finale dann auch noch bis zur Europameisterschaft geschafft und das ist halt so ein Anreiz, das ist eigentlich der stärkste Anreiz, den man da so hatte, und das war schon super, diese Aussicht!«

CH (Francesca Gieruć): Sobald ich Robotik begegnete, wusste ich, dass ich in dieser Bereich später arbeiten wollte. Für mich war die FLL eine Opportunität, Robotik zu machen, ohne warten zu müssen.

Wie haben Sie andere FLL Teams bei den Wettkämpfen wahrgenommen?

D (Florian Eßer): Wir haben andere Teams kennengelernt, die wir auch auf späteren Wettbewerben häufig wiedergetroffen haben. Unterschiede gab es durchaus in der Arbeitsweise oder der Art der Betreuung.

D (Sylvia Schmitz): »Nachdem ich nicht mehr teilgenommen habe, habe ich oft Moderation übernommen und war auch selber mal in der Jury. Und da habe ich aus ganz verschiedenen Perspektiven auch die Teams mal kennen gelernt: es gibt halt wirklich Teams, die einfach von sich aus um jeden Preis gewinnen wollen und die anderen wirklich als Konkurrenten betrachten, dem man auf gar keinen Fall irgendwelche Informationen gibt, und die sich dann auch bei den kleinsten Fehlern, wenn sich jemand bei den Punkten, um drei Punkte verzählt hat, sich sofort beschweren oder wenn irgendwas nicht regelkonform ist, da sofort Alarm schlagen.«

D (Sylvia Schmitz): »Dann gab’s aber auch ganz viele Teams, die einfach Spaß am Wettbewerb hatten, mit denen man sich dann auch wirklich austauschen konnte und wo man dann wirklich erfahren hat, okay, wie haben denn die die Probleme gelöst und wie haben wir das gemacht und was ist bei denen vielleicht schief gelaufen und kann man sich da gegenseitig helfen? Also da gab es auch schon sehr viele Teams, die gerade auch diesen Spaß am Wettbewerb hatten – also ‘n gewissen Ehrgeiz hatten natürlich alle, klar, wenn man zu ‘nem Wettbewerb fährt, will man auch gut sein, gut abschneiden und gewinnen – aber das Ganze ein bisschen lockerer gesehen haben und auch als ‘ne Plattform für’n Wissensaustausch.« D (Sylvia Schmitz): »Dann gibt es so ein paar Teams, wo man merkt, das eigentlich vor allem der Coach gewinnen will! Und wo man einfach merkt, okay, der hat sein Team total gebrieft und unter Kontrolle, wo es auch meistens dann so war, er hat wahrscheinlich auch die ganzen Aufgaben so verteilt, hat sich vorher gut alle Bewertungsbögen durchgelesen und die Schüler dann wirklich darauf getrimmt, dass sie da immer schön die richtigen Antworten geben …es gibt ja auch immer diese Teamwertung und der Fragenkatalog, der da bei der Teamwertung gestellt wird, die Bewertungskriterien sind ja offen gelegt – und bei manchen hat man dann wirklich gemerkt, dass der Coach dahinter stand und den Leuten gesagt hat: ’so, da antwortet ihr das und hier macht ihr das!’, und wo wirklich der Coach dann so sehr dahinter stand und auch selber sehr viel mit programmiert hat.…«

Ihr persönliches Fazit zu Ihrer Zeit bei FLL?

CH (Francesca Gieruć): Die FLL hat mir viel gebracht, nicht nur spezifische Fähigkeiten und Kenntnisse wie Programmierung oder wie Solarenergie funktioniert, sondern auch Arbeitsweise, Teamgeist, Fair-Play, und auch Demut. Man kann nicht immer gewinnen!

6.3.8  Ihre Kritik an FLL und ihre Visionen

Was hätten Sie gerne geändert an FLL?

D (Sylvia Schmitz): »Jetzt gibt’s ja wirklich so, dass man so ein Teamspiel macht und die Leute dann ein bisschen fragt. Früher war das so, dass die Jury halt so ein bisschen ‘rumgegangen ist und sich die Teams angeguckt hat, wie sie wirklich in Aktion waren. Und ich glaub’, da sieht man auch viel mehr, als wenn die Jury die ganze Zeit isoliert immer nur mit einem Team sprechen kann. Denn klar, die Kinder wissen ja auch, was so ‘ne Jury hören will, wenn nach Teamfähigkeit gefragt wird, da sagen die meisten Kinder ja nicht ’ja, wir streiten uns die ganze Zeit’. Ich denke, da ist es sinnvoller, einfach die Kinder beim Wettbewerb …zu beobachten und zu gucken, wie die auch dann in den Stresssituationen agieren.«

CH (Francesca Gieruć): Es gibt ein paar Unterschieden zwischen regionale und nationale (und größere) Wettkämpfe. Ich verstehe, dass der Niveau nicht gleich ist, aber Unterschieden in der Interpretation der Vorschriften der FLL haben meinem Team schon Probleme gestellt.

D (Florian Eßer): Zu unserer aktiven Zeit waren die Spielregeln teilweise sehr unscharf gefasst. So konnten sehr einfach durch nicht vorgesehene Schlupflöcher, teilweise auch bewusste Beschädigung des Spielfelds, Punkte erzielt werden (Fruchtringe ’ernten’ durch Bäume plattfahren) und plumpe Lösungen waren erfolgreicher als ’im Sinne der Aufgabenstellung’ gut, das hat natürlich auch die Kreativität gefördert!

D (Sylvia Schmitz): »Zum einen ist es wirklich schön, dass der Wettbewerb so vielschichtig ist und auch die Präsentation bewertet wird und das Teamwork mit einbezogen wird. Aber, glaub ich, das größte Interesse von den Teilnehmern besteht immer noch an dem Robot-Game, weil es auch eigentlich das ist, wo die Leute die meiste Zeit ‘rein investieren, und das so der Mittelpunkt ist, warum man an der FLL teilnimmt. Und manchmal hatte man so als Teilnehmer gerade das Gefühl oder jetzt auch, wenn man weiß, wie es bewertet wird, das so was wie Teampräsentation – also die Teampräsentation, die ja doch eher subjektiv ist – genauso viel zählt wie die technische Leistung.…Ich finde auch, dass die Forschungspräsentation genauso stark zählen kann wie das Robot-Game, …aber die anderen vielleicht dann von der Wertung nicht so stark gewesen wären. Gerade …im Moment ist es ja so, das jede Kategorie 50 Punkte gibt, und wenn man einfach sagen würde, okay, Teamwertung und Roboterdesign , da ist halt die höchste Punktzahl, die man bekommen kann, dreißig! CH (Francesca Gieruć): Ich finde auch, dass die Trophäen besser waren, wann sie aus Lego bestanden.

D (Florian Eßer): Ach ja: die alten Pokale (die mit den Zahnrädern) sahen besser aus als die neuen!

D (Sylvia Schmitz): »Und was ich noch super finden würde, wenn es einfach ‘ne bessere Form des Austausches unter den Teams geben könnte! Ich habe das beim RoboCup mitbekommen, da fand ich das sehr schön! Da gab es an einem Tag solche Gemeinschaftstreffen, da wurden dann immer drei Teams zusammen gelost, die sich dann jeweils gegenseitig erklärt haben, wie sie an die Probleme herangegangen sind und welche Probleme sie hatten, und so was dann halt den anderen Teams vorgestellt haben und nicht einfach nur ‘ner Jury. Sondern das wirklich ein Platz geschaffen wurde, dass sich die Teams austauschen könnten! So was könnte ich mir eigentlich auch gut für die FIRST LEGO League vorstellen, zum Beispiel entweder zusätzlich noch oder halt statt dieser Teamwertung34 , da einfach so ein Gespräch zu führen. Beim RoboCup war es außerhalb der Wertung, um diesen Austausch zu ermöglichen ging dieses Gespräch nicht in das Gesamtergebnis ein!«

6.3.9  Vorher FLL Teilnehmerin – jetzt Robotik-Coach

Sylvia Schmitz aus Königswinter bei Bonn wurde 2011 als 18-jährige mit ihrem Robotik-Team Vize-Weltmeisterin im RoboCup Soccer. Begonnen hatte sie mit 10 Jahren bei FLL. Sie blieb ihrer Leidenschaft treu bis heute: zum einen studiert sie Elektrotechnik in Karlsruhe, zum anderen führt sie junge Schülerinnen oder Schüler, also die FLL Zielgruppe, in die Welt der Robotik ein: als Kursleiterin im Rahmen eines Projektes der Hector-Stiftung zur Förderung von hochbegabten Schülern in Baden-Württemberg. Sylvia Schmitz sammelte in ihrer aktiven FLL Zeit nicht nur als Teilnehmerin wertvolle Erfahrungen, sondern auch als Jurorin. Dort erlebte sie nicht nur beispielgebende FLL Teams, sondern auch Teams, deren Auftreten sie nachdenklich stimmte.35 Manche hatten nur das Gewinnen im Wettkampf als Ziel, mit Ellenbogen-Mentalität, andere Teams schienen von ihrem eigenen Coach so dominiert zu werden, dass der Sinn und Zweck von FLL, SchülerInnen für die MINT-Welt zu begeistern und Selbstwirksamkeit erfahren zu lassen, eher konterkariert wurde – für Sylvia Schmitz waren das prägende Erfahrungen:

Was bewegt sie, wenn Sie ein Coach-dominiertes Team erleben?

D (Sylvia Schmitz): »Das es halt eigentlich schade für die Schüler ist, die teilnehmen. Weil sie sich eigentlich gar nicht selber entfalten können, wenn sie auch ihre eigene Rolle nicht finden können und wahrscheinlich auch ein Stück weit den Spaß daran verderben, wenn man weiß, ’okay, dem Coach geht’s jetzt nur darum, dass wir gewinnen!’ Ich glaub, da verdirbt man das Interesse und den Spaß der Schüler und auch der anderen Teams, die da sich alles selbstständig erarbeitet haben.«

Welche Lehre ziehen Sie daraus für Ihre neue Rolle als Coach?

D (Sylvia Schmitz): »Was mir vor allem wichtig war, zu vermitteln, dass sie wirklich selber, auch den Freiraum haben, selber auf die Lösung zu kommen! Also denen nicht zu sagen: ’okay, Ihr programmiert jetzt, Ihr setzt jetzt den Block da hin, und dann zieht Ihr hier dieses Fenster dahin, und dann baut Ihr den Stein auf den!’ – sondern das sie wirklich selber ausprobieren können: ’was muss ich denn machen, damit es funktioniert?’«

Wen und in welchem Rahmen trainieren Sie als Coach?

D (Sylvia Schmitz): »Ich arbeite mit Grundschülern.…Ich mach es einmal die Woche immer anderthalb Stunden, und es waren jetzt 10 Treffen, die wir da hatten …im Rahmen der Hector-Stiftung36 , da gibt es Angebote für Grundschüler von Chinesisch über Philosophie bis hin zu Technik halt. Da ist dann eine Gruppe von 5-6 Schülern, und die haben dann ein halbes Jahr lang diesen Kurs. Ich programmiere zwar mit dem LEGO MINDSTORMS Roboter, aber noch nicht mit dem Ziel, auf diesen Wettbewerb hin zu arbeiten.«

Warum trainieren Sie GrundschülerInnen?

D (Sylvia Schmitz): »Es ist so schade, dass so wenig Schüler wirklich auf dem Plan haben, was man nachher mit ‘nem Ingenieursstudium machen kann und wenn man einfach schon ganz früh diese Neugier weckt, ist es, glaub’ ich, die nachhaltigste Nachwuchsförderung, die man in Technik überhaupt machen kann.…Meine Begeisterung, dass ich letztendlich auch im Studium ’Elektrotechnik’ gelandet bin, hat einfach ganz viel damit zu tun gehabt, glaube ich, dass ich schon früh da herangeführt wurde, und gesehen habe, dass das eine tolle Sache ist. Ich denke schon, dass das so am Ende der Grundschule oder Anfang der weiterführenden Schule, also mit 10 Jahren oder so, dass man dann die Kinder wirklich schon von Technik begeistert!«

Ist die Lernerfahrung von 10jährigen bereits von lehrerzentriertem Frontalunterricht geprägt? D (Sylvia Schmitz): »Ja, ich habe auch am Anfang ziemlich stark wahrgenommen, dass vor allem die Kinder noch ein ganz starkes Problem haben, im Team zu arbeiten. Also die können das alles schön für sich selber ausprobieren, aber sobald dann zwei Leute am Roboter arbeiten müssen, wird es dann schon schwierig. …Ich habe immer versucht, erst mal so einen groben Überblick zu geben und denen erst mal zu vermitteln, was ist überhaupt möglich mit den Programmen und wie benutzt man das und hab’ auch angefangen, das dann wirklich sehr, sehr kleinschrittig zu machen. Und bin dann aber nachher auf, ja, freiere Aufgabenstellungen, sag ich jetzt mal, hinaus. Also ich hab halt damit angefangen, dass ich gesagt habe: ’okay, der Roboter soll halt geradeaus fahren, dafür müsst Ihr das und das machen’. Und dann halt nicht nur geradeaus fahren, sondern dann auch die Sensoren ansteuern und das alles in kleinen Schritten. Und nachher dann solche Aufgaben gestellt wie einfach nur noch: ’der Roboter soll ein Hindernis umfahren!’ – das die Kinder dann selber kombinieren mussten, okay , das was sie vorher gelernt haben, richtig anzuwenden.«